Scouting Combine mit umjubeltem Rekord

Dieses Wochenende stand in der NFL das sogenannte "Scouting Combine" an – auch gerne "Unterwäscheolympiade" oder – noch abwertender – "Fleischbeschau" genannt. Die Veranstaltung gilt als wichtiger Gradmesser für das Potenzial des Draft-Jahrgangs und scheint jedes Jahr an Bedeutung und Öffentlichkeitswirksamkeit - ganz im Sinn der NFL in ihrer spielfreien Zeit - zu gewinnen.

Wie seit vielen Jahren findet das Event im Stadion der Indianapolis Colts, dem Lucas Oil Stadium, statt. Trotzdem ist die Location trotz hervorragender Ausgangsvoraussetzungen für die Austragung - viele Hotels in Stadionnähe, sehr kurze Fußwege (!), gute Kliniken - nicht mehr gesetzt. Auch andere Stadien wollen ein Stück vom jährlich wachsenden Kuchen ab, und zuletzt gab neben Los Angeles auch Dallas sein Interesse an einer Austragung zu Protokoll. Allerdings wird auch das Combine 2025 zum 38. Mal in Folge wieder in Indianapolis ausgetragen werden, wie Liga und Verantwortliche im Januar bekanntgegeben haben. Vernunft und Logistik haben offensichtlich gegenüber den möglichen Mehreinnahmen andernorts (ausnahmsweise) die Oberhand behalten.

Insgesamt waren 321 mögliche Draftees eingeladen worden, sich gegenseitig zu messen. Rein mathematisch wird dabei schon nicht jeder davon später auch im Draft ausgewählt werden können: In sieben Runden à 32 Spieler werden 214 Spieler plus zusätzlich einige Kompensationspicks ausgewählt (die noch nicht feststehen), sodass eine zweistellige Anzahl der jetzt vorspielenden Athleten nur als Undrafted Free Agent zu einem Team gelangen wird.

Beim Combine gab es sogar wieder einmal einen Rekord zu bestaunen. Im prestigeträchtigsten "Wettbewerb", dem 40-Yard-Sprint, verbesserte Texas Longhorns Wide Receiver Xavier Worthy die seit sieben Jahren bestehende Bestmarke von 4,22 Sekunden um eine Hundertsel auf 4,21 Sekunden.

Das sorgte natürlich für große Aufmerksamkeit - nicht zuletzt befeuert in den sozialen Medien von Größen wie dem als "Cheetah" passend betitelten pfeilschnellen Tyreek Hill ("4.2 is crazy sheesh" bei x-Twitter).

Auch Worthys Vertical Jump (41 Inches) und sein Standweitsprung (10 Fuß 11 Inches) waren herausragend.

Ein Wort der Warnung bleibt aber: Herausragende Werte bei der "Unterwäscheolympiade" lassen sich nicht eins zu eins in sportlichen Erfolg in der NFL umwandeln: Der bisherige 40-Yard-Rekordhalter, John Ross, wurde nicht zuletzt - oder wohl vor allem wegen - seiner herausragenden Sprintfähigkeiten im Draft 2017 von den Cincinnati Bengals an Position neun gewählt.

In vier Jahren in Cincinnati lief er insgesamt in (nur) 27 Spielen auf, startete gerade einmal 20 davon, und kam auf magere 733 Yards und zehn Touchdowns. Werte, die in einer einzigen Saison angesichts seines Draftstatus wohl schon als überschaubar bezeichnet worden wären - geschweige denn in vier.

Anschließend befand er sich 2021 noch ein Jahr bei den New York Giants (zehn Spiele mit einem Start für 224 Yards und einen Touchdown), bevor er - abgesehen von einem Practice-Squad-Aufenthalt bei den Chiefs 2023 - aus der NFL verschwand.

Der drittschnellste Spieler in der Geschichte des Combine, Cornerback Kalon Barnes (2022 - 4,23 Sekunden), schaffte es von Baylor aus bislang in sieben NFL-Teams. Insgesamt stehen aber nur zwei Einsätze - im Trikot der Minnesota Vikings 2022 und da nur bei 17 Prozent der Special Teams Snaps - zu Buche. Das in der NFL erhaltene Gehalt (in drei Jahren knapp 500.000 Dollar) war dabei wohl nur unwesentlich mehr, als das, was er für Material und Training ausgeben musste.

Vorsicht ist also auch bei Xavier Worthy angebracht. Der kam in drei Jahren bei den Longhorns auf 2.755 Yards und 26 Touchdowns. Allerdings muss er für die NFL wohl noch einiges an Muskelmasse zulegen: Aktuell hat er objektiv eher eine reine Sprinterfigur - und die Kategorie ist in der NFL eher selten zu finden.

Irgendein Team wird aber - von den Bestwerten zum Träumen verleitet - bestimmt früh zuschlagen.

Carsten Keller - 03.03.2024

Das Scouting Combine fand zum 37. Mal in Folge in Indianapolis statt (© Carsten Keller)