Die Cleveland Browns haben ein Problem weniger: Deshaun Watson hat sich erneut die Achillessehne gerissen und wird womöglich deswegen die komplette Saison 2025 verpassen. Das löst zumindest den Zwiespalt, ob man trotz schlechter (bis katastrophaler) Leistungen an ihm festhält, weil man ihm 46 Millionen Dollar zahlen muss, oder ihn trotz dieser Summe auf der Bank – oder eher Tribüne oder noch eher zu Hause – sitzen lässt.
Wie es grundsätzlich mit ihm weitergeht, ist eine der spannenderen Entscheidungen: Das Debakel seiner Verpflichtung wirkte auch in diesem Jahr nach. Die Erinnerung an seine starken Leistungen in Houston verblasst immer mehr, seit der Enthüllung seiner sexuellen Verfehlungen in Kombination mit einer Flut von Anschuldigungen und außergerichtlichen Einigungen (deutlich über 20) ist er sportlich nur noch ein Schatten früherer Tage.
Diesmal absolvierte er sieben Partien vor einem Achillessehnenriss und konnte nur eine einzige davon gewinnen bei fünf Touchdowns, drei Interceptions und rekordverdächtigen 33 kassierten Sacks. Vermisst wurde er anschließend nicht, besser wurde es allerdings auch nicht mit den Nachfolgern Jameis Winston, Dorian Thompson-Robinson und zuletzt Bailey Zappe.
Anzunehmen ist, dass sich die Browns im kommenden Draft einen neuen Quarterback sichern (müssen), obwohl sie Watson in den nächsten beiden Jahren jeweils noch 46 Millionen Dollar garantiert ausbezahlen müssen. Anschließend wird das Kapitel Watson in Cleveland endgültig beendet sein, falls es nicht noch eine sensationelle Wendung geben sollte.
Mitleid muss man diesbezüglich mit der Franchise nicht haben: Als im März 2021 die ersten Anschuldigungen von Masseurinnen gegenüber Watson über den Anwalt Tony Buzbee veröffentlicht wurden, verneinte Watson jegliches sexuelle Fehlverhalten. Buzbee wurde anschließend von immer mehr Frauen verpflichtet, wobei sich das Muster von Watsons Verhalten des Öfteren ähnelte.
Bis April kamen so 22 (zivilrechtliche) Klageanträge zusammen, was einerseits dazu führte, dass Sponsoren ihre Zusammenarbeit mit Watson beendeten oder zumindest ruhen ließen, und andererseits der gefallene Quarterback irgendwann weg wollte und eine Tradeforderung veröffentlichte. Die Browns zauberten trotz aller Vorwürfe den bis dato bestdotierten Vertrag der NFL-Historie aus dem Hut und ihn nach Cleveland. Ursprünglich hatte Watson andere Teams als künftigen Arbeitsort bevorzugt, bei diesem Vertragsangebot war sein Ziel klar.
Strafrechtlich wurde er nie verurteilt, zivilrechtlich einigte sich sein Anwalt(steam) über die Jahre mit den Frauen. Die Höhe der geflossenen Gelder wurde dabei wie üblich nicht publiziert.
Sportlich stürzten seine Leistungen gleichzeitig ins Bodenlose ab: 2020 – vor den Vorwürfen – erwarf er noch 4.823 Yards (die meisten der NFL) mit 33 Touchdowns und nur sieben Interceptions bei einer Completion Percentage von 70,2 Prozent.
In Cleveland bestritt er aufgrund einer Supendierung und Verletzungen sechs (2022, 2023) beziehungsweise sieben (2024) Partien, in denen er nie über 1.150 Yards oder sieben Touchdowns hinauskam. Die Completion Percentage lag dabei maximal bei 63,4 Prozent (2024).
Alles Werte, die normalerweise für einen Abschied sprechen würden. Allerdings hatten die Verantwortlichen der Browns im Wettbieten um Watson eben den damals besten Vertrag der NFL-Geschichte gegeben und dafür auch noch viel Draftkapital (unter anderem drei Erstrundenpicks und ein Drittrundenpick) in die Hand genommen. Fünf Jahre und voll garantierte 230 Millionen Dollar, die ihm jährlich 46 Millionen Dollar bringen – ob er spielt, zu Hause sitzt oder entlassen ist.
Jetzt ist das weitere Vorgehen unklar, aber er wird auf alle Fälle 46 Millionen Dollar für 2025 und dann auch 2026 erhalten. Durch die Verletzung verschiebt sich zumindest die Diskussion, was man mit ihm anfangen sollte, weiter in die Zukunft.
Das ist auch so ziemlich das einzig Positive aus dem gesamten Deshaun Watson-Debakel. Mitleid für die Franchise ist trotzdem fehl am Platz – es war ein kalkuliert und bewusst eingegangener Trade und anschließender Vertrag, der sich (für viele erwartbar) als absolutes Debakel herausgestellt hat.
Wie so oft in Cleveland – "same old Browns."
Carsten Keller - 12.01.2025
Zum Pro Bowl durfte Watson nur als Texans - damals gab es auch nur Fragen um den Sport (© Carsten Keller)
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