Wer wird Coach des Jahres?

Andy Reid wäre trotz bester Bilanz ein Sensationssieger als Coach des Jahres 2024Eine der spannenderen Auszeichnungen der NFL ist die für den "AP Head Coach des Jahres", denn oft ist das Rennen hier objektiv ziemlich offen.

Die Auszeichnung wird nicht immer an den "besten" Head Coach der Liga vergeben. Oft geht sie an den Trainer, der zu Beginn seiner Amtszeit eine schlechte Mannschaft umgekrempelt hat, oder eine, deren Mannschaft noch viele Spiele gewonnen hat, obwohl sie ohne einige ihrer Stars gespielt hat.

Es ist schwer vor der Spielzeit vorherzusagen, bei welchen Teams das Verletzungspech zuschlagen wird, aber es ist einfacher, die Kandidaten zu identifizieren, die schlechte oder leistungsschwache Teams umkrempeln könnten. Das ist der Grund, warum man vor der Saison Coaches wie Jim Harbaugh als aussichtsreichen Kandidaten angesehen hat, der es mit einem Chargers-Team aufnimmt, das in der gesamten Karriere Justin Herberts hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist.

Raheem Morris, der in seinem ersten Jahr als Head Coach der Falcons ist und einen sehr talentierten Kader erbte, oder Shane Steichen, der in der letzten Saison fast die Playoffs erreicht hätte, obwohl er die meiste Zeit des Jahres einen Backup-QB starten musste. Oder Jonathan Gannon, dessen Cardinals versuchten, sich nach einer miserablen Saison, in der sie größtenteils ohne Kyler Murray spielten, zu verbessern.

Jetzt sind wir schlauer und von den genannten Kandidaten vor der Saison wird es wohl keiner. Stattdessen ist der Trainer jetzt hoch favorisiert, der in den ersten 17 Wochen der Saison herausragte - Kevin O'Connell. Der Head Coach der Vikings hat sein Team in die Playoffs geführt, obwohl die Erwartungen extrem niedrig waren. Zudem hatte er bis zum letzten Spieltag sogar die Chance auf den Top-Seed in der NFC, bevor die Vikings von den Lions in Woche #18 regelrecht zerstört wurden.

Vor der Saison hätte man für den Tipp auf O’Connell für 100 Euro noch bis zu 285 Euro bekommen, mittlerweile sind es gerade einmal noch 113 Euro. Dahinter folgen Dan Campbell (515 Euro), Sean Payton (2.850 Euro) und Dan Quinn (4.600 Euro). Andy Reid, erfolgreichster Head Coach der letzten Jahre, liegt trotz der ligabesten Bilanz seines Teams als Titelverteidiger nur auf Platz #5 (10.100 Euro).

Andy Reid wurde trotz seiner Erfolge nur einmal Coach des Jahres - und das war noch bei den Eagles und ist bereits 22 Jahre her.

Dass die Auszeichnung nicht unbedingt eine Jobgarantie für viele Jahre bedeutet, zeigt ein Blick auf die letzten zehn Jahre: Ron Rivera (2015) ist schon ein Jahr nicht mehr in Washington und schon viel viel länger nicht mehr in Carolina, wo er ausgezeichnet worden war.

Jason Garrett (Dallas Cowboys 2016) ist weit im Rückspiegel, von Matt Nagy (Chicago Bears 2018) spricht auch niemand mehr. Mike Vrabel (Tennessee 2021) ist jetzt wieder heißer Kandidat auf einen neuen Posten nach einem Jahr Pause, der zweimalige und amtierende Award-Sieger Kevin Stefanski (2020 und 2023) wackelte bei den Cleveland Browns mindestens genauso bedrohlich wie Brian Daboll (2022) bei den New York Giants.

Ginge es nur nach dem dauerhaft sportlichen Erfolg, wäre wohl Andy Reid bereits deutlich öfter ausgezeichnet worden. An seiner fachlichen Kompetenz besteht (mittlerweile) kaum ein Zweifel. Aber es käme einer Sensation gleich, wenn er seinen zweiten Coach des Jahres-Titel abholen dürfte.

O’Connell hat sicher großen Anteil am überraschenden Erfolg der Minnesota Vikings, den man so wohl kaum vorhersehen konnte. Unverdient wird man die Auszeichnung also kaum nennen, wenn es so kommen wird, wie es momentan aussieht.

Die NFL Honors Show, in deren Rahmen die Auszeichnung vergeben wird, findet am Abend vor Super Bowl LIX statt.

Carsten Keller - 11.01.2025

Andy Reid wäre trotz bester Bilanz ein Sensationssieger als Coach des Jahres 2024

Andy Reid wäre trotz bester Bilanz ein Sensationssieger als Coach des Jahres 2024 (© Carsten Keller)

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