Mal ehrlich: Das war noch nicht das, was man sich von der Erweiterung der Playoffs erhofft hatte. So belebend sich die Erweiterung auf den Verlauf der Regular Season ausgewirkt hatte, so enttäuschend verlief die Overtüre des neuen Postseason-Formats. Statt spannender Spiele boten die vier Partien der ersten Runde Langeweile. Zugegeben, die Spieler, Coaches und Fans der siegreichen Teams (Notre Dame, Penn State, Texas und Ohio State) werden das anders sehen, aber die Masse der Fans hätte sich gewiss andere Spielverläufe gewünscht. Die Vorstellung von drei der vier Verlierer war angesiedelt zwischen mentaler Überforderung, taktischer Hilflosigkeit und schlicht fehlendem Können. Nur Clemson trat bei der 24:38-Niederlage bei Texas so auf, dass man es nicht als Playoff-Fehlbesetzung sehen musste. Immerhin, in den Quarterfinals sollte das anders laufen, weil es mit Oregon gegen Ohio State und Georgia gegen Notre Dame zwei richtig hochkarätige Ansetzungen gibt. Die beiden anderen Spiele, Boise State gegen Penn State und Arizona State gegen Texas, könnten freilich ähnlich verlaufen wie die Spiele der ersten Runde.
Die einseitigen Spielverläufe am Freitag und Samstag waren natürlich eine Steilvorlage für alle, die das Playoff Selection Committee nach dessen Auswahl der zwölf Playoff-Teilnehmer Anfang Dezember kritisiert hatten. Einer der Kritiker, Mississippis Head Coach Lane Kiffin, der über die Nichtberücksichtigung seines Teams natürlich verärgert war und eh als Typ schlechter Verlierer rüberkommt, ließ sich auch nicht lange bitten. Schon nach Notre Dames 27:17-Sieg gegen Indiana, der viel klarer war, als es das Ergebnis ausdrückte, und einen Tag später nach Penn States 38:10 gegen SMU im ersten der drei Spiele an diesem Tag setzte Kiffin auf X hämische Posts in Richtung Playoff Selection Committee ab, in denen er dieses für begeisternde, ausgeglichene Spiele lobte und ihm attestierte, es zu verstehen, wie man die Fans in Atem hält.
Einmal abgesehen davon, dass dieses Nachtreten schlechter Stil ist, bleibt aber auch festzuhalten, dass die Mitglieder des 13-köpfigen Gremiums gar nicht anders hätten entscheiden können, ohne sich dann von anderen kritisieren lassen zu müssen. Dass Indiana und SMU ihren Aufgaben nicht gewachsen sein würden, war erwartbar, und dennoch standen Beide zu recht in den Playoffs. Ein Big-Ten-Team mit einer 11-1-Bilanz (Indiana) nicht zu berücksichtigen, wäre kaum zu begründen gewesen. Klar, die Hoosiers hatten ein ziemlich leichtes Programm zu spielen. Sie spielten nur gegen einen wirklich starken Gegner, Ohio State, und verloren dabei deutlich, dass aber eine Reihe anderer ihrer Gegner, allen voran die letztjährigen Endspiel-Teilnehmer Michigan und Washington, deutlich schwächer waren als erwartet, kann man schlecht ihnen anlasten. Und immerhin haben sie gegen das Team, gegen das Ohio State den Einzug ins Big Ten Championship Game verspielt hatte, Michigan, gewonnen.
Bei SMU, an dessen Wahl sich die Gemüter von Mississippi, Alabama und Miami am meisten erhitzten, lag der Fall etwas anders. Die Mustangs hatten nur eine Niederlage weniger als Alabama und Mississippi und genauso viele wie Miami. Und auch sie hatten ein relativ leichtes Programm absolviert, ohne Spiele gegen Miami und Clemson innerhalb der ACC vor dem Conference-Finale. Aber, wie Indiana hat auch SMU alle Spiele gegen Teams, gegen die es favorisiert war, gewonnen und seine Niederlagen nur in Spielen kassiert, in denen der Gegner der Favorit war. Alabama, Mississippi und Miami hatten dem gegenüber jeweils zweimal gegen Teams gepatzt, gegen die man favorisiert war - Alabama gegen Vanderbilt und Oklahoma, Mississippi gegen Kentucky und Florida, und Miami gegen Georgia Tech und Syracuse. Letztlich waren diese Drei an ihrem verpassten Einzug in die Playoffs also selbst Schuld.
Aber gut, das ist Schnee von gestern. Jetzt stehen die Viertelfinals an und in denen sollte es deutlich interessanter werden als in der ersten Runde. Die Top-Ansetzung ist zweifellos das Duell zwischen dem letzten noch ungeschlagenen Team, Big Ten Champion Oregon, und Ohio State im Rose Bowl in Pasadena. Es ist, ohne die übrigen Viertelfinalisten gering schätzen zu wollen, das vorweggenommene Endspiel. Die Beiden hatten in der Regular Season bereits gegeneinander gespielt und dabei eines der besten Spiele dieser Saison abgeliefert. Damals siegte Oregon, vor heimischem Publikum, mit 32:31, aber genauso gut hätte auch Ohio State gewinnen können, aus Sicht der Buckeyes-Fans sogar müssen. In der Neuauflage auf dieses Mal neutralem Boden ist deshalb nicht Oregon favorisiert sondern Ohio State, vor allem wenn die Buckeyes so auftreten wie beim 42:17-Sieg gegen Tennessee. Im Gegensatz zur Heimniederlage gegen Michigan am 30. November, als das Team vor allem auf Risikovermeidung gesetzt hatte und für seine verhaltene, fast ängstliche Spielweise bestraft wurde, nutzten sie gegen die Volunteers ihr Offensiv-Potenzial, vor allem im Passspiel, voll aus und spielten den Gegner schon im ersten Viertel in Grund und Boden. Gegen Oregon wird man genauso weitermachen müssen. Im Fokus werden die beiden Offenses mit ihrem Big-Play-Potenzial stehen, den Unterschied wird am Ende aber vielleicht die Defensive machen. Priorität hat für Beide, viel Druck auf den gegnerischen Quarterback zu machen. Auch ein Receiver-Super-Talent wie Ohio States Jeremiah Smith kann seine Gefährlichkeit nur dann voll entfalten, wenn er oft genug gut angespielt werden kann. Das Team, das in diesem Punkt besser ist, wird diese Partie wahrscheinlich gewinnen.
Die zweite hochkarätige Ansetzung, zumindest von den Namen und dem "Standing" der Gegner her betrachtet, ist das Spiel Notre Dame gegen SEC Champion Georgia im Sugar Bowl in New Orleans, mit dem das Viertelfinale beendet wird. Das Spiel wird allerdings vielleicht weniger hochklassig als man es erwarten würde, weil Georgia ohne Stamm-Quarterback Carson Beck antreten muss, der sich im SEC Championship Game kurz vor Schluss verletzt hatte. Das wird den Angriff gewiss schwächen, zumal Becks Ersatzmann Gunner Stockton einer der besten Defenses dieser Spielzeit gegenüber stehen wird. Notre Dame wird also von Beginn an voll darauf setzen (müssen), ihn ständig unter Druck zu setzen und zu Fehlern zu zwingen. Georgia wird versuchen, den Druck mit erfolgreichen Läufen von RB Trevor Etienne, der nach wochenlanger Verletzungspause im SEC Championship Game wieder mitmischen konnte, zu kontern. Die bessere Defense spricht für Notre Dame, auch wenn den Fighting Irish ebenfalls ein wichter Spieler, LB Rylie Mills, fehlen wird, vor allem dann, wenn es ein Spiel mit eher weniger Punkten wird.
Die beiden anderen Viertelfinals haben weniger Drama-Potenzial. Im Fiesta Bowl ist Penn State klarer Favorit gegen Boise State, und das nicht nur wegen des überzeugenden Auftritts im Playoff-Spiel gegen SMU. Der Kader der Nittany Lions hat eine deutlich höhere Qualität. Das Team besitzt eine Top-Defense und mehr "Playmaker" im Angriff (vor allem die Running Backs Nicholas Singleton und Kaytron Allen und TE Tyler Warren) als die Broncos. Klar, Boise State bietet den besten Running Back dieser Saison, Ashton Jeanty, auf, aber er allein wird nicht reichen. Ganz ausschalten wird ihn auch Penn States Abwehr nicht. Der Mann ist so gut, dass er selbst, wenn er stolpert, im Hinfallen noch positive Yards macht, aber wenn er deutlich unter seinem gewohnten "Output" bleibt, fehlen seinen Broncos im Angriff die Alternativen, um eine Abwehr wie die von Penn State ausrreichend oft knacken zu können.
Auch im Peach Bowl in Atlanta, in dem Texas auf Big Twelve Champion Arizona State trifft, sind die Rollen klar verteilt. Texas ist natürlich der Favorit, zumal das Team beim Playoff-Sieg gegen Clemson seine beste Leistung in dieser Saison gezeigt hat. Allerdings, ohne Texas etwas Böses zu wollen, muss man eigentlich auf einen "Upset" hoffen, weil die Geschichte von Arizona State in dieser Saison zu schön ist, um mit einer schnöden Niederlage im ersten Playoff-Spiel zu enden. Vor der Saison auf den letzten Platz der eigenen Conference getippt, dann den Conference-Titel gewonnen, und der Star des Teams ist mit RB Cam Skattebo ein Spieler, der nach der High School keine Angebote von FBS-Teams hatte und sich erst über die FCS den Weg in die höchste Spielklasse freikämpfen musste - Geschichten wie diese sind das Salz in der Suppe jeder Sportart. Entscheidend wird in diesem Spiel, wie meist im Football, die Situation an der Line of Scrimmage sein. Texas wird, wie schon gegen Clemson, zunächst versuchen, sein Laufspiel durchzusetzen. Gelingt das, wird es schwer für Arizona State. Andererseits ist Abwehr der Sun Devils gegen das Laufspiel besser als die von Clemson. Und wenn das Laufspiel nicht gut funktioniert hat, dann hat Texas in dieser Saison im Angriff regelmäßig Probleme bekommen. In die andere Richtung wird Texas natürlich alles daran setzen, Skattebo zu stoppen. Leicht wird das angesichst seiner Robustheit und Agressivität nicht, aber selbst, wenn es Texas gelingt, ihn einigermaßen in Schach zu halten, steht Arizona State in der Offensive keinesfalls "blank" da. QB Sam Leavitt ist statistisch der bessere Passer im Vergleich zu Texas' Quinn Ewers, mit einem höheren Pass-Rating (159,5 gegenüber 148,0), einem besseren Verhältnis von Touchdowns zu Interceptions (24-5 gegenüber 26-10) und weniger erlittenen Quarterback Sacks (16 gegenüber 24). Texas muss sich also auf mehr Widerstand einstellen als im ersten Playoff-Spiel.
Hoch - 24.12.2024
Die erste Playoff-Runde war geprägt von der totalen Überlegenheit der Favoriten wie Ohio State. (© Getty Images)
Leser-Bewertung dieses Beitrags: