Der 45. deutsche Meister im American Football wird gesucht: Am Samstag ist der GFL Bowl der Höhepunkt des Finaltages der GFL, der im und rund um das Stadion an der Hafenstraße in Essen zum großen Festtag des deutschen und europäischen American Footballs wird. Stunden vor dem Spiel startet die HappySize Power-Party, bei der Carsten Spengemann und Roman Motzkus durch das Programm führen und auch die Vereine der GFL, die nicht im Endspiel auf dem Platz stehen, sich präsentieren werden. Die Partie selbst wird live von DF1 im linearen TV in Deutschland sowie weltweit im Stream ohne Geoblocking übertragen.
Eine große Bühne also für die beiden Finalisten Potsdam Royals und Dresden Monarchs, die jeweils zum dritten Mal in einem deutschen Endspiel stehen. Beide haben je einmal gewonnen: Dresden 2021 und Potsdam im letzten Jahr. Beide waren auch während der laufenden Saison die nach so gut wie allen Kriterien tatsächlich stärksten Mannschaften der Liga, Überraschungen in den Playoffs blieben aus, wenn man nicht das Ausscheiden des Vizemeisters von 2023 aus Schwäbisch Hall auf eigenem Platz gegen den starken Nord-Aufsteiger Hildesheim als solche sehen will.
In den Halbfinals gaben sich die beiden Favoriten zu Hause jedenfalls keine Blöße - wenngleich die Höhe der Resultate im Vergleich zu ihren Hauptrundenspielen nahe legen könnte, dass man in Hinblick auf den GFL Bowl offensiv nicht alle Karten aufgedeckt hat. Dies gilt zuallererst für die Potsdamer. Gegen die New Yorker Lions hatten die zwar eine der stärksten Defenses der Liga gegen sich, fünf Wochen vor dem 25:6 im Halbfinale hatten sie auswärts in Braunschweig gegen diese jedoch ein 59:0 auf den Rasen gezaubert.
Die schiere Offensiv-Power der Brandenburger hatte sie schon die letzten beiden Jahre ins Finale gebracht. Kontinuierlich stärker wurde in den 24 Monaten seit ihrer Finalniederlage in Frankfurt allerdings der defensive Mannschaftsteil. Letztes Jahr gab es in Essen darauf aufbauend recht früh im Spiel kaum Zweifel am Titelgewinn. Dieses Jahr haben die Potsdamer nur ein einziges Problem, das aber ein sehr großes werden kann: Mit noch stärkerer Offense und noch stärkerer Defense rauschten sie völlig unangefochten durch die Saison - alle Welt erwartet von ihnen am Samstag wie selbstverständlich den Sieg.
Natürlich treten ihre Coaches auf die Euphoriebremse und werden intern alles für höchste Konzentration der Akteure tun. Aber die Potsdamer, die auch 2024 mit dem letztjährigen GFL-Bowl-MVP Jaylon Henderson als Quarterback antreten konnten, spielten zeitweise eben wie in einer anderen Liga als ihre Gegner. Hoffnungen der Konkurrenz, dass die Veränderungen bei Receivern und Running Backs neben Henderson die Royals schwächen könnten, waren fehl am Platze. Brendan Beaulieu fing als Top-Mann der GFL Nord 80 Pässe für 1.433 Yards Raumgewinn und 25 Touchdowns in den zwölf Spielen der Hauptrunde. Die 25 Touchdowns waren ligaweit Spitzenwert, ebenso wie die insgesamt 72 Touchdown-Pässe, die Henderson abfeuerte (genau sechs pro Spiel).
Dazu kamen Thomas Jenkins, Thomas Wilson und Daniel Pedro auf jeweils rund 800 Yards Raumgewinn und zusammen 33 Touchdown-Fänge in der Hauptrunde. Neben Running Back Heiko Bals fingen dazu weitere zwei Handvoll Akteure Bälle von Henderson, elf von denen konnten mindestens einen Touchdown bejubeln. Bals wiederum lief elf Mal in die Endzone, mit rund 50 Yards pro Spiel hielt er die Laufspielkomponente der Royals insgesamt auf demselben Niveau wie im ersten Meisterjahr. Dabei half, dass die internationale Offensive Line der Brandenburger vor der Saison noch einmal verstärkt worden war.
Was ebenso für die Defensive Front gilt: Aus dem Saarland kam vor der Saison Linebacker Joshua Wünsch und aus Braunschweig von den New Yorker Lions das aus Australien stammende GFL-Urgestein Alan Steinohrt. Wünsch war für 13 der insgesamt 42 Quarterback Sacks der Potsdamer in der Saison verantwortlich, Steinohrt für zwölf. Top-Tackler wurde der Brite Arthur Kingdom, der aus Leeds nach Potsdam gekommen war. Sechs Interceptions fing Safety Aashari Crosswell, der College Football für die Arizona State University in der höchsten US-Spielklasse gespielt hatte.
Wo liegen nun die Chancen für die Dresden Monarchs? Üblicherweise gehen Coaches in Finalspiele nicht ungern als der Underdog. Bekommt man das Überraschungsmoment auf seine Seite, wird daraus leicht ein Vorteil. An guten Tagen ohne eigene Fehler können die Monarchs sowohl offensiv als auch defensiv ganz ähnliches Potenzial entfalten wie der Gegner aus Potsdam.
Mit dem Angriff stellte man dies 2023 bei einem 59:45-Sieg in Potsdam unter Beweis, die einzige Niederlage der Royals in den letzten drei Spielzeiten neben dem Finale 2022. Defensiv hatte man den Gegner Ende Juni in diesem Jahr ebenfalls auf dessen Platz eine Halbzeit lang im Griff, führte zur Pause 7:6. Nur ein drittes Viertel wie in jener Partie, als die Potsdamer drei unbeantwortete Touchdowns hinlegten, muss man in Essen in jedem Fall vermeiden. Wäre es am Ende eng, hätte man in einem Bereich einen klaren Vorteil: den routinierten und zuverlässigen Florian Finke als Kicker, eine Position, die die Royals im Kader gar nicht speziell besetzt haben, sondern nur im nötigen Ausnahmefall Running Back Heiko Bals anvertrauen.
Als Besonderheit kann der Angriff der Sachsen auch mit zwei US-Quarterbacks aufwarten. Als Brock Domann wegen einer Sperre ausfiel, holte man mit Karé Lyles einen Vertreter, der nun als zusätzliche Option mindestens mal bei den Finalvorbereitungen des Gegners für Überstunden sorgen dürfte. An Anspielstationen mangelt es beiden Quarterbacks nicht. In erster Linie kommt Ricky Smalling zum Zuge, der College Football für die University of Illinois gespielt hatte. Bis zum Endspiel hatte Smalling 78 Pässe für 1.310 Yards und 15 Touchdowns gefangen - was in allen drei Kategorien Platz vier in der Liga bedeutet. Der spanische Receiver Jordi Torrededia mit 55 Fängen und Tight End Ethan Janto mit portugiesischem Pass (36 Fänge) profitieren von der Aufmerksamkeit, die Smalling auf sich zieht. Ähnliches gilt für den Finnen Nico Barrow, der in seinem zweiten Jahr als Running Back für Dresden mit 15 Touchdowns die meisten der Liga hatte.
Die Defensive Line hat trotz einer Schwächung durch den Ausfall von Michael Badejo in der Saison mit Lamonte McDougle, Jonas Schultes und Eric Hauschild an der Spitze in der Vorrunde 33 Quarterback Sacks verbuchen können, einen mehr als die Royals. Schwerstarbeit könnte in Essen auch auf Logan Mobelini zukommen. Der Defensive Back war vor dieser Saison aus Marburg nach Dresden gekommen und hatte neben Linebacker Chris Noak die meisten Tackles im Team.
Wer auch immer sich in Essen am Ende durchsetzt: Der 45. Meister im deutschen American Football wird aus Ostdeutschland kommen. Und in jeder Hinsicht ein würdiger Titelträger sein.
Auerbach - 10.10.2024
Logan Mobelini auf der Jagd nach Jaylon Henderson (© Thomas Sobotzki)
Leser-Bewertung dieses Beitrags: