Der fünfte Spieltag bescherte der College-Football-Gemeinde, neben einigen Top-25-Upsets, ein Spiel, das wegen seines verrückten Verlaufs und dramatischen Endes sogleich das Prädikat "Instant Classic" verpasst bekam. Im ersten Duell zweier Teams, deren Saisonziel der Gewinn der National Championship ist, siegte Alabama gegen Georgia mit 41:34 und zeigte dabei zum ersten Mal in dieser Saison so richtig, was in der Mannschaft steckt. Für Georgia ist die Niederlage noch kein allzu großer Rückschlag, zum einen, weil es möglich ist, dass es im SEC Championship Game zu einem erneuten Duell gegen Alabama kommen könnte, zum anderen, weil man nach der Erweiterung der Playoffs nicht mal unbedingt Conference Champion werden muss, um die Playoffs zu erreichen. So gesehen hatte das Spiel zwar einen Gewinner, aber mit Blick auf das "Big Picture" keinen richtigen Verlierer.
Der Verlauf des Spiels war so verrückt, dass man nur ungläubig auf das schauen konnte, was sich auf dem Feld abspielte. Zu Beginn machte Alabama mit Georgia, was es wollte. Man hatte den Eindruck, als würden die Teams mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten spielen. Der Zwischenstand von 28:0 nach dem vierten Touchdown der Gastgeber in der dritten Minute des zweiten Viertels war schon schockierend genug, aber wenn man sich ein paar weitere Zahlen anschaut, wird Georgias Hilflosigkeit noch deutlicher. Bis zum 28:0 wies Georgias Offensive nur zehn Spielzüge, 27 Yards und einen First Down auf. Zum Vergleich: Bei Alabama waren es 24 Spielzüge, 265 Yards und zehn First Downs. Ähnlich überfordert war in dieser Saison im gleichen Zeitraum des Spiels nur Alabamas leichtester Gegner, Western Kentucky (22 Spielzüge, 58 Yards, fünf First Downs), der in Tuscaloosa letztlich mit 0:63 untergegangen war. "In der ersten Halbzeit haben wir fürchterlich gespielt. Ich denke, wir müssen uns nicht mal die Aufzeichnung anschauen, um zu erkennen, dass wir nicht so gespielt haben, wie wir es können", sagte QB Jason Beck, der im ersten Viertel nur auf zwei erfolgreiche Pässe für 19 Yards gekommen war und mit einer Interception Alabamas Angriff zum 21:0 eingeleitet hatte, zum Auftritt seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit.
In der zweiten Halbzeit musste man dann ebenso ungläubig mit ansehen, wie Alabama das Spiel aus der Hand gab. Sehen tut man so etwas ja gar nicht mal selten. Das Team, das klar führt, lässt etwas nach, spielt weniger bissig. Der Gegner pirscht sich nach und nach heran, und wenn es dann wirklich eng zu werden droht, kann das zuvor so klar überlegene Team den Schalter nicht mehr umlegen und wieder so dominant spielen wie am Anfang. Das passierte in diesem Spiel auch. Auffällig war vor allem, dass Georgia im vierten Viertel immer mehr Erfolg mit längeren Pässen hatte. Auf dem Weg zum 21:33 waren es zwei Pässen von 21 und 34 Yards, ein paar Minuten später ebneten Pässe von 30 und 47 Yards den Weg zum 28:33, und zweienhalb Minuten vor Spielende bestand Georgias Angriff, der mit dem 34:33 endete, aus nur einem Spielzug, einem langen Pass (37 Yards bis an Alabamas 30-Yard-Linie) über die Mitte, der mit einem 67-Yard-Touchdown endete. Georgias Pech war, dass Alabama darauf noch spektakulärer antwortete. Im nächsten Spielzug fing WR Ryan Williams, ein 17-jähriger College-Neuling, einen langen Pass (29 Yards) von QB Jalen Milroe an der 46-Yard-Linie der Bulldogs und lief dann zu einem 75-Yard-Touchdown in die Endzone. Georgia hätte darauf beinahe auch noch mal spektakulär geantwortet, aber nach einem Vorstoß bis an Alabamas 20-Yard-Linie endete der letzte Angriff der Bulldogs 43 Sekunden vor Spielende mit einer Interception in Alabamas Endzone.
DeBoer tritt aus Sabans Schatten
Welche Erkenntnisse kann man aus diesem Spiel nun für den weiteren Saisonverlauf mitnehmen. Zunächst einmal diese: Der Wechsel auf der Position des Head Coaches nach dem Karriere-Ende von Trainer-Legende Nick Saban hat, zumindest bis jetzt, keine negativen Auswirkungen. Die Nachfolger stehen in dieser Konstellation ja immer etwas im Schatten ihrer prominenten Vorgänger, aber bei Alabamas neuem Head Coach Kalen DeBoer scheint das nicht so zu sein. Dass er den ersten richtigen Härtetest bestanden hat und das auch seinen Modifizierungen in der Offensive zu verdanken war, macht es ihm natürlich leichter. "Wir erwarten von uns, dass wir solche Spiele gewinnen. Natürlich ist die Begeisterung in der Kabine gerade groß, aber ich will auch sicherstellen, dass die Spieler realisieren, dass das auch die Erwartung bei uns ist", sagte DeBoer unter anderem - eine Aussage, die auch der anspruchsvollen "Fan Base" des Teams gefallen dürfte.
DeBoer ist ein anerkannter Offensiv-Spezialist und Quarterback-Entwickler, und davon profitiert - das ist die zweite wichtige Erkenntnis aus dem Spiel gegen Georgia - vor allem Milroe. DeBoer setzt offenbar stärker als Sabsan darauf, Milroes Passspiel zu verbessern und ihn mehr als Passer einzusetzen. Das heißt natürlich nicht, das man auf Milroes läuferische Qualiäten verzichtet. Gegen Georgia war er der Top-Rusher seines Teams (16 Läufe für 117 Yards und zwei Touchdowns), aber er warf auch 33 Pässe, mit einer Erfolgsquote von knapp 82 Prozent, für 374 Yards und zwei weitere Touchdowns. Und einen Pass, wie den, der das Spiel gegen Georgia letztlich entschied, hätte Milroe in der letzten Saison wahrscheinlich nicht an den Mann gebracht.
Hoch - 01.10.2024
QB Jalen Milroe führte Alabama zu einem wichtigen Sieg auf dem Weg in die Playoffs gegen Georgia. (© Getty Images)
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