Carolina versucht den Turnaround
Seit sieben Jahren gab es keine "Winning Season" mehr für die Carolina Panthers, in den letzten fünf Spielzeiten feierten die Panthers nur 24 Siege in 83 Spielen - weniger als alle anderen NFL-Teams. 2022 gab es ein Strohfeuer mit 7:10-Bilanz und knapp verpasster Playoff-Teilnahme auf Rang zwei der NFC South. Nach sechs Niederlagen zum Auftakt 2023 war bald klar, dass der auch dadurch schwerere Spielplan das Team mit Rookie-Hoffnung Bryce Young als Quarterback überforderte.
Als Schlusslicht der gesamten NFL mit nur zwei Siegen hätte man nun gleich wieder den Top-Draft-Pick gehabt, wäre dieser nicht zuvor an Chicago weggetauscht worden. Den Umbruch leitete man schon während der Saison ein. Head Coach Frank Reich durfte nicht einmal das ganze Jahr bleiben, sein Interims-Nachfolger Chris Tabor flog nach der Saison auch raus. Denn da hatten der neue General Manager Dan Morgan (bisher Assistent seines Vorgängers Scott Fitterer) und der neue Head Coach Dave Canales das Zepter bernommen.
Canales, als Amerikaner mexikanischer Abstammung der fünfte Latino-Cheftrainer in der NFL-Geschichte, unterzeichnete einen Sechs-Jahres-Vertrag. Viel Optimismus von beiden Seiten, auch wenn der Coach eine Fülle von Erfahrung mitbringt, insbesondere aus seiner vorherigen Position als Offensive Coordinator der Tampa Bay Buccaneers. Vor seiner Zeit bei den Buccaneers verbrachte Canales über ein Jahrzehnt bei den Seattle Seahawks. Zeitweise war er dort als Quarterbacks Coach und Passing Game Coordinator maßgeblich an der Entwicklung von Quarterbacks wie Russell Wilson und Geno Smith beteiligt. Seine Trainerkarriere hatte an der University of Southern California (USC) unter Pete Carroll begonnen, der hatte ihn 2010 zu den Seahawks geholt.
Dem neuen Coach wird nachgesagt, als offenherziger Mensch ein Team zusammenschweißen zu können. Und sein Händchen für Quarterbacks eben genau so einzusetzen: Selbst dem Spielmacher einen Vertrauensvorschuss zu gewähren und so nach und nach das Team rund um einen echten Führungsspielmacher auf dem Feld zusammenwachsen zu lassen. Im Berufsleben hat er einst Cowboystiefel verkauft, während er zunächst nebenher an High Schools und Junior Colleges wirkte, ehe er die Chance auf höherem Niveau bekam.
Nun soll der junge Quarterback Bryce Young unter seiner Leitung endlich in die Fußstapfen von Cam Newton treten, der die Panthers vor neun Jahren zuletzt in den Super Bowl führte. Mitgebracht hat Canales in Brad Idzik einen neuen Offensive Coordinator, der seit 2019 in Seattle und Tampa schon sein Assistent war. Der neue Präsident für Football Operations und General Manager Dan Morgan scheint mit den beiden einer Meinung zu sein, dass zunächst im Angriff alles zu stimmen hat, um mit Bryce Young tatsächlich in eine neue Ära starten zu können.
Ohne Aussicht auf einen frühen Zugriff in der Draft zeigte sich dies gleich im März, als die Panthers personelle Richtungsentscheidungen trafen. Geich zwei Team Captains der Verteidigung wurden Opfer von von Team initiierten Transfers: Outside Linebacker Brian Burns wurde an die Giants abgeschoben, Cornerback Donte Jackson zu den Steelers. Mit Burns hatte das Team ein Jahr lang verhandelt, ohne eine Einigung zu erzielen. Noch einmal kam es für die neue sportliche Leitung nicht in Frage, ihn als Franchise Player (vielleicht nur übergangsweise) zu halten.
"Diese Schritte sind alle mit Blick auf die Zukunft", sagte Morgan damals. "Wir stellen uns in gewisser Weise definitiv neu auf, aber das bedeutet nicht, dass wir nicht gut und nicht konkurrenzfähig sein werden", hofft er und verwies auf die 24 Millionen Dollar an Gehaltsspielraum, die durch den Transfer geschaffen wurden. Investiert wurden die umgehend (wie später auch drei der ersten vier Draft Picks) in die Offense. Und dort zuallererst dahin, wo der Grundstein jeder erfolgreichen Offense gelegt wird. Zwei Offensive Guards in Robert Hunt und Damien Lewis, die eine erhebliche finanzielle Investition erforderten, sollen helfen, Young 2024 besser abzuschirmen.
Der bisherige Guard Austin Corbett wird auf die Center-Position rücken. "Lasst uns das Ding von innen nach außen aufbauen", kommentierte Canales damals diese Konstellation, die er für eine Idealbesetzung vor Young hält. Dies sei auch eine Einstellungsfrage: "Wie zeigt man Härte? Wie zeigt man Einstellung? Indem man mit dem Ball läuft. Also holt euch den besten Guard im Football!" Robert Hunt sei das Gesamtpaket, um über das Laufspiel eine spezielle Mentalität der neuen Panthers-Offense aufzubauen.
Zusätzlich wurde Diontae Johnson in einem Tauschgeschäft gegen Donte Jackson eingetauscht, wodurch in der Kaderliste nur ein paar wenige Buchstaben geändert werden, vor allem aber Quarterback Bryce Young eine Top-Anspielstation hinzu bekam, die zu Adam Thielen passt. Weitere potenzielle Unterstützung für die Zukunft kam in der Draft hinzu: Receiver Xavier Legette, Running Back Jonathon Brooks und Tight End Ja’Tavion Sanders.
Die Drafts sollen nach den Worten von General Manager Morgan zukünftig auch der eigentliche Kern der Aufbauarbeit sein. Dass man die zwei neuen Guards auf anderem Weg holte, sei wohl nur dem Umstand geschuldet, dass man für den Schutz des jungen Quarterbacks schnell etwas unternehmen wollte. In den letzten Jahren waren die Panthers häufig bereit, ihre eigenen Draft Picks gegen Spieler einzutauschen, auf der Quarterback-Position und anderen. Damit soll eher Schluss sein. Ob es nun Deals für Quarterbacks waren, die nur vorübergehende Lösungen waren wie Teddy Bridgewater, Sam Darnold oder Baker Mayfield. Oder wie bei Stephon Gilmore Deals für andere Spieler, die nicht so einschlugen, wie ursprünglich gedacht: Die Panthers waren in den letzten Jahren bei solchen Deals häufig dabei und meist als der langfristige Verlierer der Tauschgeschäfte.
"Wir sprechen definitiv über diese langfristige Vision", sagte Morgan. "Das bedeutet nicht, dass wir nichts unternehmen. Aber gleichzeitig können wir nicht weiter Draft-Kapital für Spieler verschenken. Wir müssen das Ganze durch die Draft aufbauen, das ist hier das Ziel." Tausche man Draft Picks weg, zwinge es einen dazu, auf dem freien Markt später umso aggressiver vorzugehen. Dann wird es meistens teuer und, wie sich zeigte, nicht immer erfolgreich. Da will er etwas anderes: "Einfach unseren Kader so aufzubauen, wie wir ihn aufbauen wollen, mit den Leuten, mit denen wir ihn aufbauen wollen, mit den Spielern, mit denen wir ihn aufbauen wollen."
Theoretisch soll Head Coach Dave Canales dafür sechs Jahre Zeit bekommen, glaubt man den Konditionen seines Vertrages. Nach fünf zurückliegenden Saisons mit negativen Bilanzen ist aber kaum vorstellbar, dass Fans, Eigentümer Dan Tepper oder andere maßgebliche Stellen noch fünf solche Jahre ertragen werden.
Auerbach - 26.07.2024
Robert Hunt (hier im Outfit der Dolphins letztes Jahr in Frankfurt) kehrt mit den Panthers 2024 nach Deutschland zurück. (© Schüler)
Leser-Bewertung dieses Beitrags: