Michigan, eines der traditionsreichsten Teams im College Football, ist am Ziel. Nach zwei Halbfinal-Niederlagen in den letzten beiden Jahren krönten die Wolverines ihre dritte Teilnahme an den Playoffs mit einem 34:13-Sieg im National Championship Game in Houston gegen Washington. Es ist der erste Titelgewinn des Teams seit der mit Nebraska geteilten Meisterschaft in der Saison 1997, der letzten ohne ein National Championship Game, und der erste einstimmige Titel seit 1948. "Dieses Team besteht aus mehr als 100 jungen Männern. Was sie geleistet haben, ist herausragend. An sie wird man sich für immer als National Champions erinnern", sagte Head Coach Jim Harbaugh später über seine Mannschaft unter anderem.
Die Geschichte des Spiels ist im Grunde schnell erzählt. Es war kein Spiel mit großem Drama oder vielen Wendungen. Michigan gewann völlig verdient, wenn auch vielleicht um einen Touchdown zu hoch. Die Wolverines legten eine frühe klare Führung vor, und auch, wenn sich Washington ab dem zweiten Viertel fing und vom Ergebnis her bis Mitte des vierten Viertels in Reichweite blieb, hatte man nie den Eindruck, das Washington das Blatt noch würde wenden können. Die Gründe für diesen Spielverlauf waren auch sehr simpel. Michigan war in der Lage, sein gewohntes Spiel durchzusetzen, Washington nicht. Michigan zermürbt seine Gegner in der Offensive mit seinem starken Laufspiel und lebt in der Defensive vor allem davon, dass die starke Defensive Line das Angriffsspiel der Gegner zerstört. Beides passierte auch am Montag in Houston. Die Wolverines holten allein im ersten Viertel mehr 200 ihrer letztlich 303 Rushing Yards. Zugegeben, im Wesentlichen holten sie die mit drei langen Läufen, zwei Touchdown-Läufen von 41 und 46 Yards von RB Donovan Edwards und einem 59-Yard-Lauf von RB Blake Corum, der den Weg zum Field Goal zum 17:3 ebnete, das waren dann aber auch 17 Punkte und ein 14-Punkte-Rückstand, dem Washington letztlich vergeblich hinterher lief.
Auf der anderen Seite der Line of Srimmage war Michigans Ziel, möglichst viel Druck auf QB Michael Penix zu machen. Auch das gelang. Zwar gelang Michigans Abwehr nur ein Quarterback Sack, dennoch war der Druck auf Penix ständig so hoch, dass der seine Pässe immer wieder früher werfen musste, als gewollt. Die Folge davon war, dass Penix zum einen mehrfach besser postierte Passempfänger nicht anspielen konnte und zum anderen viele seiner Pässe unter dem ständigen Druck zu unpräzise waren. Und ihm gelang im ganzen Spiel nur ein erfolgreicher Pass, der mehr als 15 Yards Raumgewinn brachte. Bemerkenswert war, dass Michigans Defensive Line diesen Druck weitgehend allein machte, ohne viele Blitzes durch Linebacker oder Defensive Backs. So konnte man dann gegen die starke Receiver-Truppe der Huskies ganz normal verteidigen, musste also diesen Teil der Verteidigung nicht entblößen, um mehr Druck an der Linie machen zu können.
Bei Washington lief es genau umgekehrt. Die Huskies leben in der Offensive sehr stark, eigentlich zu stark für ein Top-Team, vom Passspiel. Der Erfolg mit Pässen hängt dabei vor allem von der Leistung der Offensive Line, die als die beste in dieser Saison gilt, ab. Gegen Michigans Defensive Line hatte sie aber ungewohnt große Probleme. Wenn das Passspiel aber nicht wie gewohnt funktioniert, kann man nicht groß aufs Laufspiel setzen, zumal im Finale noch dazu kam, dass der beste Running Back des Teams, Dillon Johnson, mit einem angeschlagenen Knöchel ins Spiel gegangen war und man ihm bei jedem seiner Läufe ansah, wie sehr ihn das behinderte. Die Abwehr der Huskies fing sich nach dem katastrophalen ersten Viertel zwar wieder und ließ zum einen später keine weiteren langen Läufe mehr zu und schirmte zum anderen die Passempfänger der Wolverines von zwei Ausnahmen abgesehen gut ab. Andererseits konnte sie dem Team keine Impulse, zum Beispiel mit erzwungenen Ballverlusten, geben, und so hatte ihr Einsatz eher den Charakter von Rückzugsgefechten.
Ein weiterer für den Erfolg von Michigan wichtiger Aspekt war die mentale Situation. Michigan war durch die beiden Niederlagen in den Halbfinals der letzten beiden Jahre, vor allem die 45:51-Pleite gegen Außenseiter TCU im letzten Jahr, offenbar besonders motiviert. Jedenfalls hoben mehrere Akteure später die Bedeutung dieser Enttäuschungen hervor. "Es lag an unserer Einstellung. Wir wollten dieses Mal den Job einfach richtig zu Ende bringen", sagte zum Beispiel DB Mike Sainristil, der der Top-Tackler seines Teams im Finale war und mit einem 81-Yard-Interception-Return bis an Washingtons 8-Yard-Linie den endgültigen KO der Huskies besiegelte. Und QB J.J. McCarthy sagte dazu: "Um Erfolge wie diese zu erreichen, musst du auch düstere Zeiten durchleben, in denen nicht alles großartig läuft. Unsere Reaktion, unsere Motivation nach dem letzten Spiel im letzten Jahr machte den Unterschied. Ich kannte die Jungs, die von damals noch dabei waren. Ich hatte das Gefühl, dass wir das erreichen werden, was wir jetzt erreicht haben".
Washington konnte nur einmal kurzzeitig hoffen, dem Spiel vielleicht eine Wende geben zu können, als es einen seiner beiden besten Angriffe im Spiel in der Schlussminute der ersten Halbzeit mit dem Touchdown zum 10:17 abschließen konnte (3-Yard-Pass von Penix auf WR Jalen McMillan) und man in der zweiten Halbzeit zuerst in Ballbesitz kam. Aber gleich der erste Spielzug nach der Pause endete mit einem Tiefschlag. Penix stand bei seinem Pass gleich wieder unter Druck und bekam beim Pass auch noch einen Tritt von einem seiner Offensive Linemen oberhalb des rechten Knöchels ab. Den daraus folgenden unpräzisen Pass fing DB Will Johnson an der 32-Yard-Linie der Huskies ab. Kurz darauf erzielte Michigan mit einem 38-Yard-Field-Goal das 20:10. Washington gelang im Gegenzug zwar seinerseits ein Field Goal (45 Yards) zum 13:20, aber es blieb die letzte Chance für Washington, Punkte zu erzielen. Die Vorentscheidung fiel dann etwas mehr als sieben Minuten vor Spielende. Nach einem Punt der Huskies stieß Michigan mit einem 41-Yard-Pass von McCarthy auf TE Colston Loveland im ersten Spielzug bis an Washingtons 30-Yard-Linie vor. Vier Spielzüge später erzielte Corum mit einem 12-Yard-Lauf den Touchdown zum 27:13. Im sechsten Spielzug von Washingtons nächsten Ballbesitz kam es dann zu dem bereits erwähnten Interception Return von Sainristil, mit dem Michigan dann, wie man so sagt, "den Deckel drauf machte".
Hoch - 09.01.2024
RB Donovan Edwards brachte Michigan im Finale mit seinen beiden Touchdowns schon früh auf Titelkurs. (© Getty Images)
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