Top-Teams suchen noch nach Konstanz
Der erste Monat der Saison ist um, und die vielleicht positivste Erkenntnis aus den ersten Wochen ist, dass sich noch kein Team so gefestigt präsentiert hat, dass sein Weg in die Playoffs vorgezeichnet zu sein scheint. Selbst der letztjährige National Champion Georgia, vor der Saison in fast allen Preseason-Ranglisten Erster und Top-Favorit auf den Titelgewinn, sucht derzeit noch nach Konstanz. Am Samstag brauchten die Bulldogs beim 27:20-Sieg bei Auburn zum zweiten Mal eine Steigerung in der zweiten Halbzeit, um den möglichen "Upset" zu verhindern, und dieses Mal war es schon deutlich knapper, als zwei Wochen zuvor gegen South Carolina. Und am kommenden Samstag trifft Georgia auf Kentucky, ein weiteres Team, gegen das man Probleme bekommen kann, wenn man nicht von Beginn an sein volles Potenzial abruft. Die Wildcats kommen ungeschlagen nach Athens, und damit ist diese Partie eines der Top-Spiele des sechsten Spieltages.
Head Coach Kirby Smart lobte nach dem Sieg bei Auburn zwar die Mentalität, den Charakter seines Teams, äußerte sich angesichts der gezeigten Schwächen aber auch kritisch. "Wir haben viele Dinge falsch gemacht, viele Dinge haben wir auch gut gemacht. Aber wir werden nicht das erreichen, was wir erreichen wollen, wenn wir nicht besser werden, und das ist jetzt das Wichtigste", sagte er am Samstagabend. Bedenklich waren für ihn vor allem die über 200 Rushing Yards, die seine Abwehr kassierte. Angesichts der Laufstärke des kommenden Gegners sind die Bedenken verständlich. Beim 33:14-Erfolg gegen Florida am Samstag hatte Kentucky die Abwehr der Gators mit 334 Yards regelrecht überrannt. Überragend war dabei RB Ray Davis mit 280 Yards und drei Touchdown-Läufen. Weitere "Baustellen" bei den Bulldogs sind das eigene Laufspiel und, dass es im Passspiel nur dann gut läuft, wenn TE Brock Bowers viele Pässe fängt. Das Zusammenspiel von QB Carson Beck mit den Wide Receivern muss besser werden. Gegen Auburn zeigte sich das deutlich. In den ersten drei Vierteln, nach denen es 17:17 stand, fing Bowers nur drei Pässe für 21 Yards. Im vierten Viertel waren es dann vor allem die Pässe auf ihn, die die Entscheidung zugunsten Georgias brachten.
Eine vergleichbare Situation wie beim Spiel Georgia gegen Kentucky gibt es am Samstag auch bei einem weiteren Spiel zweier ungeschlagener Teams, Ohio State gegen Maryland. Auch hier gibt es einen klaren Favoriten, Ohio State, der aber auch noch nicht wirklich überzeugte und sich gegen seinen bisher stärksten Gegner, Notre Dame, am 23. September nur mit viel Glück durchgesetzt hatte. Natürlich erwartet niemand wirklich einen Sieg von Maryland, aber die Terrapins sind ein Gegner, den man nicht unterschätzen sollte. Mit QB Taulia Tagovailoa, dessen älterer Bruder Tua mit den Miami Dolphins gerade in der NFL für Furore sorgt, besitzt Maryland einen der potenziell besten Quarterbacks der FBS, der bislang 13 Touchdown-Pässe bei nur drei Interceptions warf und Ohio States Abwehr viel abverlangen wird.
Top-Spiel in Dallas
Im Gegensatz zur David-gegen-Goliath-Konstellation in den Spielen von Georgia und Ohio State ist das dritte Duell zweier ungeschlagener Teams ein richtiges Top-Spiel. Die "Red River Rivalry" zwischen Texas und Oklahoma ist ein Klassiker und ist in diesem Jahr umso bedeutender, weil nach langer Zeit mal wieder beide Teams vorn mitspielen. Der Sieger dieses Spiels steht schon so gut wie im Championship Game der Big Twelve Conference und wäre einer der unmittelbaren Kandidaten für das Erreichen der Playoffs, für den Verlierer bliebe Beides noch erreichbar. Texas geht zwar als leichter Favorit in das Spiel, nicht zuletzt, weil es bereits einen hochkarätigen Gegner, Alabama, geschlagen hat, aber Oklahoma ist dank seiner Offensivstärke durchaus in der Lage, die Longhorns zu schlagen. Texas darf vor allem nicht so verschwenderisch mit seinen Chancen umgehen wie am Samstag bei letztlich klaren 40:14-Sieg gegen Kansas. Bei dem schafften die Longhorns in der ersten Halbzeit zweimal nach Erreichen der "Red Zone" nur Field Goals, vergaben einen weiteren Field-Goal-Versuch und beendeten den letzten ihrer fünf Angriffe vor der Pause mit einer Interception in der Hälfte von Kansas. So blieb das Spiel vom Ergebnis her bis in die Schlussminuten des dritten Viertels offen (da führte Texas nur mit 20:14), und der Durchbruch gelang den Longhorns erst, als Kansas viereinhalb Minuten vor Ende des dritten Viertels einen vierten Versuch an der eigenen 38-Yard-Linie sinnloserweise ausspielte und damit nicht nur scheiterte, sondern auch noch den Ball verlor (Fumble von QB Jason Bean an der eigenen 32-Yard-Linie) und sie fünf Spielzüge später ihre Führung auf 26:14 ausbauen konnten.
Texas A & M fordert Alabama heraus
Neben diesen drei Partien wird vor allem Alabamas Gastspiel bei Texas A & M im Fokus stehen. Alabama muss in College Station gewinnen, wenn es sich seine Playoff-Chancen erhalten will. Der Redkordmeister bekommt so langsam mehr Struktur in sein Angriffsspiel, und das ist umso wichtiger, als sich auch bei Texas A & M in den letzten beiden Partien etwas zum Besseren änderte. Den Aggies fehlte schon länger und auch zu Beginn dieser Saison die Konstanz auf der Quarterback-Position. Am vorletzten Spieltag verletzte sich im Spiel gegen Auburn dann Stamm-Quarterback Conner Weigman. Eigentlich eine traurige Sache und ein Rückschlag, aber mit seinem Ersatzmann Max Johnson lief es in der zweiten Halbzeit des Auburn-Spiels und am Samstag beim 34:22-Sieg gegen Arkansas im Passspiel deutlich besser. Vielleicht macht dessen Routine den Unterschied aus. Johnson war bereits im letzten Jahr von LSU zu Texas A & M gewechselt, nachdem er seine Position als Stamm-Quarterback an Jayden Daniels verloren hatte. Bei den Aggies lief es für ihn zunächst auch nicht gut. Im letzten Jahr warf ihn eine Hand-Verletzung nach drei Spielen als "Starter" zurück, und in diesem Jahr verlor er das interne Duell mit dem jüngeren Conner Weigman. Dessen Pech bietet ihm eine neue Chance, und mit seiner Erfahrung von knapp 4.500 erworfenen Yards und 42 Touchdowns ist er für Texas A & M wahrscheinlich die bessere Option als Angriffsführer in einer Mannschaft, die seit Jahren gespickt ist mit Top-Talenten, die ihr Potenzial in den Spielen nicht in entsprechende Leistungen umsetzen können. Die Chancen, mit Alabama mithalten zu können, erscheinen aktuell jedenfalls größer als noch vor ein paar Wochen.
Hoch - 02.10.2023
Head Coach Kirby Smart (Georgia Bulldogs) kann noch nicht ganz zufrieden mit seinem Team sein. (© Getty Images)
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