Schwächelnde Favoriten vor dem ersten Großkampftag
Am kommenden Samstag nimmt die Saison von den Ansetzungen her gesehen erst richtig an Fahrt auf. Gleich sechs Top-25-Duelle stehen dann an, dazu eines der potenziell entscheidenden Spiele in der Atlantic Coast Conference (ACC), Clemson gegen Florida State, das ohne Clemsons überraschende Auftaktniederlage bei Duke selbst ein Top-25-Duell gewesen wäre. Aber um ein Haar hätte es für einige der an diesen Partien beteiligten Teams schon am letzten Spieltag die erste Niederlage gegeben. Vielleicht auch, weil man im Kopf schon beim schwereren nächsten Spiel war, taten sich einige Top-25-Teams überraschend schwer. Sogar die ersten Vier der AP Top 25 (Georgia, Michigan, Florida State und Texas) konnten nicht überzeugen, und zwei von ihnen hätten gar verlieren können. Am Ende erwischte es aber nur zwei Top-25-Teams, den Elften Tennessee, der bei Florida mit 16:29 verlor, und den 15. Kansas State, der von Missouri mit 30:27 geschlagen wurde.
Die Zitterpartien der Favoriten liefen dabei ganz unterschiedlich ab. Der 3:14-Rückstand bei Halbzeit von Spitzenreiter Georgia gegen South Carolina ließ einen schon staunen, aber letztlich wird dieses Ergebnis am Ende der Saison wohl nur eines unter vielen gewesen sein. Der Titelverteidiger litt in der ersten Halbzeit unter mangelnder Konsequenz bei der Chancenverwertung. Mit zwei seiner ohnehin nur vier Angriffe in der ersten Halbzeit erreichte er die so genannte "Red Zone", holte im ersten Fall aber nur ein Field Goal zum 3:7 und verschoss im zweiten Fall einen Field-Goal-Versuch aus nur 28 Yards Entfernung. Als Georgia in der zweiten Halbzeit aber in der Abwehr aggressiver und in der Offensive konseqenter spielte, konnte South Carolina nicht mehr mithalten. South Carolina holte in der zweiten Halbzeit nur noch 98 Yards und stieß nur noch mit einem Angriff bis in Georgias Hälfte vor, bis an die 31-Yard-Linie, ehe ein Quarterback Sack und eine Strafe die Gamecocks bremsten und zum Punt zwangen. "Die Botschaft bei Halbzeit war: Gewinne den nächsten Spielzug. Wenn du immer den nächsten Spielzug gewinnst, dann kann man sich wieder ranarbeiten", sagte Head Coach Kirby Smart zur Wende nach der Pause. Die lief dann mit beängstigender Lockerheit ab. Georgia beendete drei seiner ersten vier Angriffe mit Touchdowns, unterbrochen lediglich durch einen, der mit einem zweiten vergebenen Field-Goal-Versuch endete. South Carolina war dazwischen immer nur kurz in Ballbesitz und wurde von Georgias Abwehr völlig abgemeldet.
Bei Florida States knappem 31:29 beim schwach in die Saison gestarteten Boston College war der Verlauf anders und ließ vermuten, dass das kommende Spiel bei Clemson schon in den Köpfen der Seminoles steckte. Die kamen schwer in die Partie und lagen zwischenzeitlich mit 3:10 zurück. Zu Beginn der zweiten Halbzeit zogen sie mit zwei Touchdowns innerhalb von etwas mehr als zwei Minuten (den zweiten im zweiten Spielzug nach einer Interception an der 40-Yard-Linie der Eagles) auf 31:10 davon. Ins Spiel zurück brachten die Seminoles den Gegner gewissermaßen selbst. Mit Hilfe eines 8-Yard-Returns nach einem Fumble der Seminoles kamen die Eagles in der vierten Minute des vierten Viertels auf 22:31 heran und schöpften wieder Hoffnung. Der nächste Angriff der Gastgeber brachte diese auf 29:31 heran, und weil Florida State nach drei Spielzügen wieder punten musste, bekamen sie noch eine Chance, die erst mit einem Quarterback Sack (14 Yards Raumverlust) endete.
Michigan und Texas wiederum kamen nicht wirklich in Gefahr, ihre Spiele zu verlieren, aber es dauerte, ehe sich das größere Potenzial durchsetzte. Michigans Hauptproblem beim 31:6 gegen Bowling Green waren Ballverluste. Zwei der ersten vier Angriffe der Wolverines endeten mit Interceptions, wobei die erste besonders kostspielig war, weil sie zum einen nach Erreichen von Bowling Greens 5-Yard-Linie fast sichere Punkte verhinderte und der Außenseiter im Gegenzug ein Field Goal zum 3:7 erzielte. Und zum schlampigen Gesamteindruck passte, dass Michigan beim Kickoff Return nach dem 3:7 den Ball verlor und vier Spielzüge später ein zweites Field Goal zum 6:7 kassierte. In den Griff bekam Michigan das Spiel erst, als es zu Beginn des dritten Viertels zunächst einen Spielzug nach einer Interception den Touchdown zum 21:6 und kurz darauf nach einem Fumble der Gäste das Field Doal zum 24:6 erzielte. Texas brauchte beim 31:10 gegen Wyoming sogar noch länger. Erst zwei Touchdowns zum 24:10 innerhalb von knapp fünf Minuten zu Beginn des vierten Viertels und ein Interception Return zum Touchdown 16 Sekunden nach dem 24:10 ebneten den Weg zum Sieg. Das Erstaunliche war, dass Texas trotz der Qualität auf den Wide-Receiver-Positionen nicht in der Lage war, Wyomings Abwehr mit langen Pässen zu knacken. QB Quinn Ewers brachte nur einen Pass an, der mehr als 16 Yards brachte - den 44-Yard-Touchdown-Pass auf WR Xavier Worthy zum 17:10.
Gipfeltreffen in South Bend
Das Top-Spiel des kommenden Spieltages ist natürlich das Duell zweier der traditionsreichsten Teams im College Football, Notre Dame und Ohio State. Beide sind ungeschlagen und wollen in die Playoffs. Ein Sieg wäre ein wichtiger, aber noch längst kein entscheidender Schritt dahin, weil Beide danach noch einige harte Brocken vor sich haben, eine Niederlage wäre aus dem selben Grund schon eine schwere Hypothek für den Rest der Saison. Ohio State spielt später noch unter anderem gegen Penn State und bei Michigan, Notre Dame gegen USC und bei Clemson. Am Samstag wird wahrscheinlich das Passspiel der Schlüssel zum Erfolg sein. Notre Dame hat mit Sam Hartman den besseren Quarterback, Ohio State mit vor allem Marvin Harrison und Emeka Egbuka die besseren Receiver. Starke Defenses und gutes Laufspiel haben Beide. Es sollte ein spannendes Spiel mit knappem Ausgang werden.
In der SEC steht Alabama im Spiel gegen Mississippi schon gehörig unter Druck. Eine zweite Niederlage (nach der gegen Texas in der Vorwoche) wäre wohl schon das Ende aller Playoffambitionen, und die ist so unwahrscheinlich nicht. Der Rekordmeister kam beim 17:3-Sieg bei South Florida am Samstag zwar nicht wirklich in Gefahr, zu verlieren, aber der Auftritt bei einem der schwächsten FBS-Teams der letzten Jahre war schon ernüchternd. Das Spiel zeigte, dass Alabama in der Offensive mehr Probleme hat als gedacht. Das eine ist die Quarterback-Position. Nach der unbefriedigenden Leistung von Jalen Milroe gegen Texas begann dieses Mal der von Notre Dame nach Tuscaloosa gewechselte Tyler Buchner die Partie, aber auch er konnte dem Passspiel keine neuen Impulse geben. Buchner wurde später durch College-Neuling Ty Simpson ersetzt. Mit ihm wurde das Angriffsspiel besser, aber es war bezeichnend, dass die ersten Punkte (zum 3:3 kurz vor der Pause) erst im Anschluss an einen Fumble dere Gastgeber an der eigenen 25-Yard-Linie gelangen. Die Probleme der Quarterbacks hängen zusammen mit den Problemen der vor der Saison hoch eingeschätzten Offensive Line. Die konnte im zweiten Spiel in Folge die Quarterbacks nicht ausreichend schützen (sowohl gegen Texas als auch South Florida jeweils fünf Quarterback Sacks). Immerhin, das Blocken bei Läufen funktioniert, und so wird Alabama erst einmal stärker auf die Running Backs setzen müssen. Klar ist: Gegen Mississippi mit seiner Offensivstärke werden wohl weder 24 Punkte (wie gegen Texas) und schon gar nicht 17 Punkte zum Sieg reichen.
Jetzt wirds ernst für Colorado
In der Partie Oregon gegen Colorado muss die Überraschungsmannschaft der ersten Wochen dieser Saison, Colorado, zeigen, ob es auch schon gegen einen Top-Gegner bestehen kann. Der mühevolle 43:35-Erfolg nach Verlängerung im Lokalderby gegen Colorado State hat der Mannschaft ein Stück weit ihre Grenzen aufgezeigt. Das größte Problem der Buffaloes dürfte gegen Oregon das zu schwache Laufspiel werden. Gegen Oregons starke Abwehr wird man nur mit Pässen des auch gegen Colorado State wieder starken QB Shedeur Sanders nicht bestehen können. Sanders wird gegen die Ducks gewiss stärker unter Druck stehen als in den ersten drei Spielen. Dazu kommt, dass ihm einer seiner wichtigsten Mitspieler, WR/DB Travis Hunter, schied nach einer regelwidrigen Attacke in der ersten Halbzeit aus und wird nach ersten Meldungen mehrere Wochen ausfallen.
In einem weiteren Top-25-Duell mit Beteiligung eines Teams, dem man das Erreichen der Playoffs zutraut, trifft Penn State mit seinem QB-Jungstar Drew Allar auf das abwehrstarke Iowa. Beim 30:13-Sieg der Nittany Lions bei Illinois machte Allar allerdings kein gutes Spiel. Er war mit weniger als der Hälfte seiner Pässe erfolgreich und blieb ohne Touchdown. Gegen Illinois blieb das ohne Folgen, weil die Abwehr den Gegner immer wieder zu Fehlern zwang. Penn State erzielte vier seiner sechs "Scores" (zwei Touchdowns und zwei Field Goals) nach Ballverlusten des Gegners.
Hoch - 18.09.2023
Head Coach Kirby Smart (Georgia Bulldogs) (© Getty Images)
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