Lions gefundenes Fressen für Titans

LenDale WhiteWas die Lions beim traditionellen Thanksgiving-Spiel gegen die Titans boten, das dürfte so manchem Fan vor dem Bildschirm den Appetit auf das Truthahn-Essen gründlich verdorben haben. 10:47 musste sich Detroit den Gästen aus Tennessee geschlagen geben – und war damit noch gut bedient. Hätten die Titans nicht im Verlauf der zweiten Halbzeit den Spielern aus der zweiten Reihe Spielpraxis verschafft, das Resultat wäre weitaus höher ausgefallen. Dabei war es schon die höchste Niederlage, die Detroit in seiner langen Thanksgiving-Geschichte, die bis ins Jahr 1934 zurückreicht, verkraften musste.

Die heimischen Fans schienen die Schlappe fast gleichmütig hinzunehmen. War es Lethargie, Mitleid oder die Weigerung, sich den Feiertag vermiesen zu lassen? Jedenfalls waren im Ford Field kaum Buhrufe zu hören, und das nach einer ersten Halbzeit, in der einmal mehr so schonungslos die Schwächen der Abwehr, besonders der Laufabwehr, bloßgelegt worden waren; einer Halbzeit, die aus Sicht der Lions nur die Bezeichnung „katastrophal“ verdiente.

Wirklicher Jubel, gemischt vielleicht mit einer Prise Galgenhumor, brandete lediglich in der Schlussminute der ersten Halbzeit auf: Ausgerechnet Lions-DE Cliff Avril, ein Rookie, hatte Titans-QB Kerry Collins vom Ball getrennt (Collins’ erster Fumble dieser Saison), den verspringenden Ball mit viel Geduld und Finesse im Laufen unter Kontrolle gebracht und war nur kurz vor Erreichen der Endzone gestoppt worden.

Lions-QB Daunte Culpepper täuschte einige Spielzüge später eine Ballübergabe an und bediente Michael Gaines, der mutterseelenallein in der Endzone stand. 34 Sekunden vor der Halbzeitpause hatten die Lions den Rückstand auf sage und schreibe 25 Punkte verkürzt; es stand 10:35 aus Sicht der Hausherren.

Zwei Viertel lang war ein Sturm durch das Ford Field gefegt, und als dieser sich gelegt hatte, konnte das wohl beste Running-Back-Duo der Liga mit Statistiken aufwarten, die gut und gerne für ein ganzes Spiel gereicht hätten: Etwas über 120 Yards hatten Rookie Chris Johnson und LenDale White im Saisondurchschnitt erlaufen, 9. Platz in der Liga; gegen Detroit betrug ihre Ausbeute, acht Minuten vor der Pause, bereits 156 Yards und nach zwei Vierteln 191 Yards.

White hatte noch am vergangenen Sonntag, nach der Niederlage gegen die Jets, seinen Unmut darüber geäußert, nur sporadisch eingesetzt worden zu sein. Davon konnte gegen Detroit keine Rede mehr sein. Neunmal trug White den Ball. Das Resultat: 32 Yards Raumgewinn und zwei Touchdown-Läufe, Nummer 12 und 13 der laufenden Saison für ihn.

Sein Partner, Chris Johnson, war sogar noch um einiges erfolgreicher. Er hatte den Ball nur zwei Mal mehr getragen, daraus jedoch 119 Yards Raumgewinn gemacht und ebenfalls zwei Touchdowns erzielt. Der größte Unterschied jedoch zwischem dem blitzschnellen Johnson und dem bärenstarken White: White hatte wenigstens ab und zu Körperkontakt mit Detroits Verteidigern.

Johnson hingegen schien in einer Geschwindigkeit über das Spielfeld zu jagen, die an die Zusammenschnitte der Höhepunkte im Fernsehen erinnerte: Johnson flog doppelt so schnell durch die Reihen der Defense; die Verteidiger schlichen in Zeitlupe hinterher oder griffen in die Luft. Bisweilen fühlte man sich, gerade bei Johnsons Touchdown-Läufen, an die Hinweise auf frisch gestrichenen Parkbänken erinnert: „Bitte nicht berühren!“

Detroit hatte gleich beim zweiten Spielzug des Spiels den Ball durch einen Fumble von Lions-WR Shaun McDonald verloren. Johnson begann sein Tagewerk, lief 28 Yards über die linke Seite und kurz darauf zum 7:0 in die Endzone, ohne von einem Lions-Verteidiger auch nur gestriffen worden zu sein – frustrierend auch für seinen Mitspieler, Titans-G Eugene Amano. Vergeblich hatte Amano in dieser Szene einen Abwehrspieler gesucht, den er hätte blocken können. Es war keiner in der Nähe.

Noch einfacher sah Johnsons zweiter Streich aus. Beim zweiten Ballbesitz der Titans, in der eigenen Hälfte beginnend, übergab Collins den Ball an Johnson, der durch ein Loch in der Mitte schoss und an Lions-Safety Dwight Smith vorbei, als hätte dieser sich vor dem Spiel den Magen mit Truthahn vollgeschlagen, fast 60 Yards in die Endzone der Lions. Johnson legte den Ball nur kurz ab und rannte dann ausgelassen zur Seitenlinie, während Smith nicht nur in dieser Szene nach Luft und Fassung rang. Johnson war für Smith und seine Mitspieler eine Nummer zu groß, der Angriff zu variabel.

Denn wenn es darauf ankam, war wieder einmal Kerry Collins zur Stelle, hielt mit seinen Pässen, auch und gerade in kniffligen Situationen, die Angriffsserie am Leben, wie zum Beispiel bei Pässen auf Tight End Alge Crumpler oder Wide Receiver Justin McCareins im letzten und längsten Drive der ersten Halbzeit. Achteinhalb Minuten verschlang diese Angriffsserie, die mit zehn Läufen und fünf Pässen fast übers gesamte Spielfeld führte und bei der sich Collins sogar sehr erfolgreich als Läufer versuchte. Statt dem benötigten einen Yard, um vier neue Versuche zu erhalten, sprintete Collins zwölf Yards über die rechte Seite und leistete damit die Vorarbeit zum 35:3, Whites zweitem Touchdown-Lauf des Spiels, aus Sicht der Gäste.

Wenn der Titans-Angriff einmal nicht punktete, dann tat es die Abwehr. Beim dritten Ballbesitz der Lions wurde Spielmacher Daunte Culpepper – während des Spiels auf einer Art Dauerflucht vor den Verteidigern – kalt erwischt. Die Koproduktion von Haynesworth und Bulluck erwies sich als zu viel, sogar für den äußerst robusten Culpepper. Titans-LB Keith Bulluck traf Culpeppers Arm und bescherte damit seinem Team-Kollegen Dave Ball ein Erlebnis der besonderen Art: Noch nie zuvor hatte Ball, in seinem vierten NFL-Jahr, einen Touchdown erzielt. Nie wieder wird es so einfach sein. Der Ball flog in hohem Bogen in die Arme des Verteidigers, der die restlichen 15 Yards auf dem Weg in die Endzone sichtlich auszukosten schien.

Abgesehen von dieser offensichtlichen Erfolgsaktion sprach folgende Statistik Bände: Im gesamten Spielverlauf ließ die Abwehr der Titans lediglich fünf First Downs zu. Bis zur Halbzeit gelangen den Lions gerade einmal 23 Lauf-Yards (im Vergleich zu 191 Yards der Titans); insgesamt lag die Gesamtausbeute des Angriffs bei 88 Yards (Titans 256 Yards) – weniger noch, als den Titans in einem einzigen Drive gelungen war.

Die Geschichte der zweiten Halbzeit ist schnell erzählt. Die Titans schalteten mehrere Gänge zurück und verschafften der zweiten Garnitur Spielpraxis. Doch selbst diese erwies sich für die Lions zum Teil noch als zu stark. Detroits Endzone blieb zwar verwaist. Dafür bekam K Rob Bironas die Chance, sein Können unter Beweis zu stellen. Er verwandelte alle vier Field-Goal-Versuche.

Symptomatisch sein vierter „Treffer“: Der Ball driftete während des Flugs immer weiter nach rechts, klatschte gegen den rechten Torpfosten und von dort, vom „Innenpfosten“ sozusagen, schließlich noch über das Gestänge.

An diesem Thanksgiving-Nachmittag gelang den Titans einfach alles.

Ladwig - 28.11.2008

LenDale White

LenDale White (© Getty Images)

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