Die erste Runde der NFC

Kurz nach 02 Uhr deutscher Zeit war es endlich soweit: Commissioner Roger Goodell betrat vor 200.000 Zuschauern (laut NFL) die Bühne in Nashville; mitgebracht hatte er Titans Quarterback Marcus Mariota (oder Marioto, wie er ihn bei dessen Draft 2015 vorgelesenen hatte) sowie die NFL-Legenden und Hall of Famer "Mean" Joe Greene (Pittsburgh) und Tim Brown (Los Angeles / Oakland Raiders). Der Plan war – wie im Vorjahr – Buhrufe gegen ihn zu verhindern. Und wie im Vorjahr klappte dies nicht.

Zu allem Überfluss begann es dann auch noch zu regnen, was der Stimmung aber kaum einen Abbruch tat.

Pick #1: Mit den Arizona Cardinals durfte ein NFC-Team den Draft eröffnen (die AFC-Picks befinden sich im gesonderten Artikel). Sie entschieden sich zur Überraschung von niemandem für Quarterback Kyler Murray, den amtierenden Heisman Trophy Gewinner von Oklahoma. Murray ist der erste Spieler, der sowohl in der Baseballliga MLB als auch jetzt in der NFL in Runde 1 gedraftet wurde; der kleingewachsene Murray dürfte der Wunschpick des neuen Head Coaches Kingsbury gewesen sein. Aktuell haben die Cardinals gleich zwei Erstrunden-Quarterbacks im Roster; es wird sich zeigen, ob sie Josh Rosen (der für viel Draftkapital 2018 an Position #10 gedraftet wurde) behalten oder ihn (vermutlich dann unter Wert) abgeben.

Pick #2: Es folgte gleich noch ein NFC-Team mit den San Francisco 49ers. Auch die zogen den an der Position erwarteten Spieler - Nick Bosa von Ohio State. Der Pass Rusher soll - wie sein älterer Bruder Joey bei den Chargers – endlich für Druck auf die gegnerischen Quarterbacks sorgen. Gleichzeitig schaffte es Familie Bosa, wie zuvor nur die Mannings, dass Vater und zwei Söhne als Erstrundenpicks in die NFL kamen.

Pick #5: Die Tampa Bay Buccaneers sicherten sich Linebacker Devin White von LSU, der allgemein als der stärkste Linebacker dieses Jahrgangs eingestuft wurde. Er soll den in der Free Agency nach San Francisco abgewanderten Kwon Alexander ersetzen.

Pick #6: Für die zweite große Überraschung (nach den Raiders an #4) sorgten die New York Giants - und gleichzeitig für Entsetzen bei ihren Fans: Quarterback Daniel Jones von Duke hatte hier kaum jemand erwartet; er hatte 17 Siege und 19 Niederlagen am College zu Buche stehen, aber auch eine anerkannt schlechte Supporting Cast. Er soll der Nachfolger von Eli Manning werden.

Pick #8: Die Detroit Lions holten sich mit T.J. Hockenson von den Iowa Hawkeyes den als mit Abstand stärksten eingeschätzten Tight End der Klasse. Sie erhoffen sich von ihm einen ebenso großen Schub für die Offense wie das Rob Gronkowski bei den Patriots schaffte, dem Ex-Team von Head Coach Matt Patricia.

Pick #12: Die Green Bay Packers holten sich einen der Spieler, der mit einigen Fragezeichen im Vorfeld versehen worden ist: Pass Rusher Rashan Gary von den Michigan Wolverines kam mit riesigem Potenzial von der High School und zeigte das auch in Michigan. Allerdings blieb die Produktion in Form von Sacks hinter den Erwartungen zurück. Zudem wurde eine Schulterverletzung bekannt, die eine Operation benötigen wird. Gary erklärte jedoch, dass seine "Schulter bei 110 Prozent" wäre. Ob das auch fürs Spielfeld gilt, bleibt abzuwarten.

Pick #14: Die Atlanta Falcons verpflichteten mit Guard / Tackle Chris Lindstrom vom Boston College einen Beschützer für (den ehemaligen Boston College-)Quarterback Matt Ryan; Lindstrom ist entlang der O-Line flexibel einsetzbar, jedoch wird er vermutlich als Guard auflaufen.

Pick #15: Die Washington Redskins griffen sich Ohio States Quarterback Dwayne Haskins. Angesichts der Unklarheit, ob der verletzte und nicht mehr ganz junge Alex Smith noch einmal zurückkehren kann (und wenn überhaupt dann erst spät in der Saison) und den nur wenig vertrauenserweckenden Case Keenum und Colt McCoy im Roster, ein Schritt, der absolut Sinn macht.

Mit Pick #16 gab es bei den Carolina Panthers gleich noch einen Pass Rusher: Der schnelle Outside Linebacker Brian Burns von Florida State soll die gegnerischen Quarterbacks terrorisieren.

Der zweite Pick der New York Giants, an Position 17, war deutlich weniger kontrovers als ihr erster. Aber auch mit der Wahl von Defensive Tackle Dexter Lawrence von Clemson ließen sich die Gemüter kaum beruhigen. Das Kind war sprichwörtlich an Position #6 in den Brunnen gefallen.

Pick #18: Die Minnesota Vikings holten den als besten Center eingeschätzten Garrett Bradbury von NC State, der Ruhe in die O-Line vor "84-Millionen-garantiert" Quarterback Kirk Cousins bringen soll.

Pick #21: Die Green Bay Packers wollten ein zweites Mal in Runde 1 ran und ertradeten sich den Pick der Seahawks (für ihre Picks #30, #114 und #118); dafür wurde dann mit Safety Darnell Savage Jr von Maryland der erste Passverteidiger vom Board genommen.

Pick #22: Es folgte gleich der zweite Trade hintereinander: Die Philadelphia Eagles schoben sich für einen Viertrunden- und einen Sechstrundenpick von Position #25 vor auf #22, wo die Baltimore Ravens gezogen hätten. So konnte man sich Tackle Andre Dillard von Washington State holen, der sonst einen Pick später zu den O-Line bedürftigen Houston Texans gegangen wäre. Dillard soll bei den Eagles irgendwann den 37jährigen Left Tackle Jason Peters beerben.

Pick #26: Den dann dritten NFC-Trade in Folge starteten dann die Washington Redskins mit den eigentlich an #26 ziehenden Indianapolis Colts. Mississippi States Pass Rusher Montez Sweat, den viele schon anfangs des Drafts erwartet hatten, war der Grund, wieso sie die Picks #46 und einen Zweitrundenpick 2020 abgaben.

Pick #29: Wie gefühlt eigentlich immer hatten die Seattle Seahawks nach hinten getradet, aber zumindest zogen sie diesmal trotzdem in der ersten Runde: Defensive End L.J. Collier von TCU war allerdings ein Spieler, den man so nicht allzu oft in den Mock Drafts der ersten Runde gesehen hatte.

Pick #30, der nach mehreren Trades (beginnend mit New Orleans 2018) eigentlich auch noch den Seattle Seakawks gehört hätte, wurde anschließend zu den New York Giants getauscht, die sich damit Cornerback Deandre Baker von Georgia schnappten. Auch das konnte die aufgebrachten Giants-Fans nicht wirklich beruhigen – vor allem, weil man dafür einen Zweit- (#37), Viert- (#132) und Fünftrundenpick (#142) abgeben musste.

Last but not least holten die Atlanta Falcons mit dem Pick der Los Angeles Rams (für #45 und #79) an Position 31 noch Tackle Kaleb McGary von den Washington Huskies.

Alles in allem eine unterhaltsame Runde mit einigen Überraschungen, anfangs wenigen Trades, aber ohne den Glanz vergangener Jahre.


Carsten Keller - 26.04.2019

Kyler Murray ist der #1 Pick (© Getty Images)