Der heimliche Super Bowl MVP

Dass Patriots Backup-QB Brian Hoyer in San Francisco unter Kyle Shanahan spielte, war für die Patriots sehr wertvollWer herausfinden will, warum die New England Patriots über Jahrzehnte hinweg so konstant gut sind, der muss sich die Spieler einmal genauer ansehen als es die Stats auf dem Papier offenbaren. Denn nicht von ungefähr kommt es, dass der "Ausschuss" anderer Teams für die Patriots immer wieder Gold wert ist.

Ein Beispiel ist der amtierenden Super Bowl MVP Julian Edelman. Als Quarterback von Kent State wurde er in der 7. Runde der Draft 2009 (232. Stelle) von den Patriots ausgewählt. Denn der Coaching Staff sah in ihm etwas, was 31 andere Teams nicht sahen (auch dank mehreren privaten Workouts): überragende Spielinstinkte, Athletik, Physis, Schnelligkeit und Spielverständnis. Als Quarterback in der NFL mit nur 1,78 m Körpergröße wäre der Pick eine Fehlinvestition gewesen, als Wide Receiver jedoch hat er für seine Rolle im Team eine ideale Größe, auch wenn die Prototypen von NFL Receivern heutzutage eher bei 1,85 m anfangen.

Dies lässt sich mit anderen Beispielen fortsetzen, auch wenn diese vielleicht nicht einen Positionswechsel brauchten, um erfolgreich zu sein. Starting RT Marcus Cannon war 2011 ein Fünftrundenpick als Guard, S Nate Ebner 2012 ein Sechstrundenpick, S Duron "The Closer" Harmon 2013 ein Drittrundenpick, RB James White ein Viertrundenpick 2014, DE Trey Flowers und OG Shaq Mason Viertrundenpicks 2015, MLB Elandon Roberts ein Sechstrundenpick 2016. Nie eine Chance in der NFL hatte FB James Develin bekommen, ehe er 2012 zu den Patriots kam, nun ist er integraler Bestandteil des Laufspiels des Teams. Getraded statt entlassen haben die Detroit Lions 2016 LB Kyle van Noy, der einer der wichtigsten Spieler von New England beim Super Bowl Xliii Sieg wurde. Und Pro Bowl KR Cordarelle Patterson wurde beispielsweise vor der Saison 2018 von den Oakland Raiders geholt (zusammen mit einem Pick in Runde 6 gegen einen Fünftrundenpick).

Ein nicht gedrafteter Free Agent war CB Malcolm Butler 2014, jener Cornerback, der für die Patriots Super Bowl XLIX entschied mit seiner Interception an der Goal Line. Er ging als fünfter Cornerback in die Partie, wurde im dritten Viertel eingewechselt und zeigte genau das was die Patriots von ihren Spielern erwarten: Instikt und Spielverständnis. Als Butler in die Partie kam hatten die Seahawks gerade zum vierten Mal hintereinander Punkte erzielt und es stand 14:24. Sofort testeten die Seahawks Butler und dieser sorgte für ein 3-and-out. Eine Minute vor dem Ende wehrte er gegen WR Jermaine Kearse den Ball ab, schlug ihn aber nach oben, so dass dieser dem am Boden liegenden Kearse in den Schoß fiel. Allerdings ohne berührt worden zu sein. Geistesgegenwärtig schob Butler Kearse noch ins Aus an der 5-Yard Linie und verhinderte so den Rückstand (Spielstand war 28:24 für die Patriots). Mit nur noch 20 Sekunden zu spielen und dem Gegner an der 1 Yard Linie gelang Butler die berühmte Interception gegen WR Ricardo Lockette. Auch hier war er gleich doppelt geistesgegenwärtig: zum einen erkannte er die Formation und den Spielzug aus der "Two Receiver Stack" Aufstellung heraus, zum anderen verhinderte er einen potenziellen Safety (je nach Beurteilung der Schiedsrichter könnte man urteilen Butler wäre bei der Interception (vor/auf der Goal Line je nach Spot) mit dem Ball in die Endzone gesprungen) durch den sofortigen Vorwärtsdrang. Denn bei 20 Sekunden zu spielen und nunmehr 28:26 hätte Seattle noch eine (minimale) Chance bekommen das Spiel durch einen schnellen Pass und ein Field Goal zu drehen.

Butler ist aber auch im Negativen exemplarisch für die Praxis des Umgangs der Patriots mit ihren Spielern. Denn der unzufriedene (dank CB Stephon Gilmore nicht mehr der einzige Star CB im Team) und eher an sich selbst denkende Butler wurde 2017 vor dem Super Bowl auf die Bank gesetzt und anschließend nicht weiterverpflichtet. Er setzte sich nach Ansicht der Coaches vor den Teamgedanken und wurde dementsprechend aus der Gruppe entfernt (wie zB. LB Jamie Collins). Denn die Patriots bewerten jeden Spieler nach seiner Nützlichkeit für das Team und was er zum Team einbringen kann. So ist für Head Coach Bill Belichick ein stiller Backup der 100 Prozent gibt wertvoller sein als ein potentieler Starspieler, der sich jeden dritten Spielzug freinimmt.

Daher überrascht es auch nicht, dass der eigentliche Team MVP der Patriots im Super Bowl Xliii nicht der Offizielle ist. Während WR Julian Edelman auf dem Feld eine spielentscheidende Leistung zeigte, tat einer seiner Teamkollegen dies abseits des Felds: QB Brian Hoyer. Dabei war Hoyer faktisch der einzige Patriots Spieler, der nicht ein Down auf dem Feld stand.

Hoyer wurde fast schon zum Nutznießer der Kontroverse bei den Patriots um QB Tom Brady und QB Jimmy Garoppolo. Ursrprünglich war Hoyer Ende Oktober 2017 als Teil des Trades von Garoppolo vorgesehen, denn die Patriots hatten hinter Brady und Garoppolo keine Nummer 3 mehr. Aber dann kam es typisch für Head Coach Bill Belichick: er lehnte Hoyer als Teil des Deals ab, wissend, dass die Patriots ggf. einen Compensatory Pick 2018 für den Deal bekommen würden ohne einen Spieler als Gegenwert. Hoyer kam aber trotzdem zurück nach New England, denn er war die logische Verpflichtung: ein Free Agent, der einer der besseren Backups der Liga ist, Erfahrung als Starter hat, keine Starting Ansprüche stellt und darüber hinaus noch mit dem System der Patriots in gewisser Weise vertraut ist (undrafted Free Agendt Verpflichtung der Patriots 2009, blieb bis 2011, dann Pittsburgh, Arizona, Cleveland, Houston, Chicago und San Francisco).

Und dies sollte sich für die Patriots doppelt auszahlen. Auch wenn Hoyer hinter All-Pro QB Tom Brady nur "Garbage Time" Einsätze bekommt, war sein Beitrag für New England beim Sieg gegen die Los Angeles Rams mitunter spielentscheidend. Denn er half der Patriots Defensive sich auf die high-scoring Rams und Head Coachs Sean McVays Taktik vorzubereiten. Zwar spielte Hoyer nie direkt für McVay, doch lernte der Rams Head Coach viel unter Mike und Kyle Shanahan bei den Washington Redskins. Und mit Offensive Coordinator Kyle Shanahan war Hoyer 2014 in Cleveland und 2017 in San Francisco. Hoyer berichtete in einem Interview mit MMQB davon, dass er sich die Episode von "Peyton Mannings Detail" auf ESPN Plus angesehen habe, in der es um Goff ging. Dort wurde ihm klar: diese Offensive kenne ich doch. Der Game Film der Rams bestätigte ihn weiterhin, ebenso das NFL Network Interview von McVay und Goff, in dem es darum ging, dass McVay seinem Spielmacher bis 15 Sekunden vor dem Ablauf der Playclock noch Anweisungen gibt, genauso wie es Shanahan bei ihm machte. Hoyer sah sich weiterhin noch "All-or-Nothing with the Rams" bei Amazon an. Dies war zwar aus dem Jahr 2016, hatte aber auch Bildmaterial aus den Minicamps und Teamaktivitäten in der Offseason zu bieten. Und er erkannte: die Taktiken und die Terminologien sind die gleichen.

Dass Hoyer im Training schon während der ganzen Saison als Scout Team Quarterback der Defensive immer wieder detailliert vermittelte, wie sie zu schlagen seien, zeigt den Wert des Quarterbacks für das Team. Nicht nur als Quarterback in der Offensive, sondern als zusätzlicher Coach auch für die Defensive und somit den Mehrwert, den die Patriots bei Spielerverpflichtungen immer wieder suchen. In den Trainingseinheiten vor dem Super Bowl gab Hoyer somit den Spielern der Verteidigung auch die richtigen Tipps und es funktionierte: keinen Stich sahen die Rams und am Ende waren die Hinweise des einzigen Spielers nicht auf dem Feld so wichtig, dass er wesentlich zum 6. Titelgewinn der Patriots beigetragen hatte. Ein weiteres Zeichen, dass die Personalentscheidungen der Patriots oft mehr sind als nur die Verpflichtung eines Spielers für den 53-Mann Kader...

Schüler - 13.02.2019

Dass Patriots Backup-QB Brian Hoyer in San Francisco unter Kyle Shanahan spielte, war für die Patriots sehr wertvoll

Dass Patriots Backup-QB Brian Hoyer in San Francisco unter Kyle Shanahan spielte, war für die Patriots sehr wertvoll (© Getty Images)

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