Lebenstraum erfüllt sich
Seit Mitte Januar steht fest, dass für Gene Steratore ein jahrelanger Traum in Erfüllung geht: Er wird endlich seinen ersten Super Bowl als Referee bestreiten dürfen. Der 54jährige, arbeitet seit 2006 als Referee, nachdem er zuvor seit 2003 als Line Judge eingesetzt worden war. Er sorgte in seiner Karriere schon des Öfteren für Schmunzeln und ist neben Ed Hochuli wohl einer der bekanntesten Referees der Liga.
Im Gegensatz zur Hauptrunde wird er jedoch mit einer anderen Schiedsrichter-Crew auflaufen, was an einer viel diskutierten Eigenheit der Liga liegt: Für die Playoffs reisst die NFL die eingespielten Schiedsrichterteams der Vorrunde auseinander und setzt neue als "All Star Crews" mit den Bestbewerteten auf der jeweiligen Position wieder zusammen. Steratores Team wird mit fünf Schiedsrichtern bestückt sein, die vorher schon einmal in einem Super Bowl eingesetzt worden waren.
Steratore ist kein Profischiedsrichter, sondern besitzt gleich zwei Jobs neben seiner NFL-Tätigkeit: Er besitzt mit seinem Bruder, der als Back Judge in der Crew von Jerome Boger ebenfalls in der NFL im Einsatz ist, ein Geschäft für industrielle Reinigungsgeräte und –mittel. Weit bekannter ist er jedoch für seinen zweiten "Nebenjob": Immer wenn die NFL-Saison beendet ist, pfeift er in der Collegeliga NCAA Division I Basketball-Spiele – wie bereits sein Vater vor ihm.
Der Mann ist also vielbeschäftigt und wer schon immer einmal wissen wollte, wie die Arbeitswoche eines NFL-Schiedsrichters aussieht: Er wurde 2013 von Peter King für den MMQB eine Woche lang begleitet; ein bis dahin ungekannter Einblick in die Abläufe der eigentlich unsichtbaren Männer in schwarz-weiß. Bereits hier kann man sehen, wie sehr sich der Mittelpunkt der Story eine Super Bowl Teilnahme wünscht.
Dass Steratore zu den Bekanntesten seines Fachs zählt, hat mehrere Gründe: Neben der gerade genannten Story, die einiges an Aufmerksamkeit brachte, war er auch bei einigen aufsehenerregenden Entscheidungen der Hauptverantwortliche: Dallas Cowboys Fans sind aufgrund der No Catch-Entscheidung ("Dez caught it") in den Playoffs in Green Bay 2015 immer noch genauso sauer auf ihn wie Ex-Lions Wide Receiver Calvin Johnson, dem ein vermeintlich siegbringender Touchdown gegen die Bears 2010 von Steratore wieder aberkannt worden war.
Eine Aktion dürfte aber allen NFL-Fans noch in bester Erinnerung sein, die für viel Diskussionen und Gelächter gesorgt hat: Im Spiel zwischen den Dallas Cowboys und Oakland Raiders in Woche 15 ließ er seine "Chain Gang" auf das Feld kommen, um für ein mögliches First Down nachzumessen. Die Entscheidung fiel ihm wohl so schwer, dass er sich ein gefaltetes Index-Kärtchen geben ließ, um zu sehen, ob dieses noch zwischen den Football und die First Down Markierung passen würde. Anschließend gab er das First Down mit einem Schmunzel im Gesicht.
Beide Fanbases dürften mit ihm als Referee kein Problem haben: Die Philadelphia Eagles fuhren unter seiner Leitung zehn Siege und drei Niederlagen ein (76,9 Prozent Siege), die Patriots dagegen zwölf Siege und fünf Niederlagen ("nur" 70,6 Prozent Siege). Die Verschwörungstheoretiker können also erst einmal beruhigt sein – es sieht nicht so aus, als ob ein Team hier einen großen Vorteil verbuchen kann.
Fest steht, dass man mit Gene Steratore einen äußerst fähigen Mann gefunden hat, der Entscheidungen in der gebotenen Kürze nachvollziehbar transportieren kann, was ihn zum Beispiel von Anwalt Ed Hochuli abhebt.
Darüber hinaus kann er sich endlich seinen Lebenstraum erfüllen – am Tag vor seinem 55. Geburtstag. Ein vorgezogenes Geschenk für den langjährigen Referee.
Carsten Keller - 27.01.2018
Gene Steratore steht vor seinem ersten Einsatz im Super Bowl (© Getty Images)
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