Kahlschlag in der Spitzengruppe

"That’s why they play the game" oder "On any given Saturday" (bzw. in diesem Fall auch Friday) - selten waren diese abgenutzten Football-Allerweltsweisheiten so treffend wie für diesen siebten Spieltag der Saison 2017. Als sich der Jubel und das Stöhnen der Fans gelegt hatten, die Tränen der Freude und des Frusts getrocknet waren blieb diese Bilanz: Vier Teams aus den Top Ten der Journalisten- und Coaches-Ranglisten - Clemson, Washington, Washington State und Auburn - hatten gegen nicht platzierte Teams verloren, plus drei weitere Niederlagen von Top-25-Teams gegen nicht platzierte Teams (San Diego States 14:31 gegen Boise State, Texas Techs 35:46 bei West Virginia und Navys 27:30 bei Memphis) sowie die Beinahe-Upsets von Georgia Tech bei Miami (24:25), Texas gegen Oklahoma (24:29 nach 0:20-Rückstand), Utah bei USC (27:28 nach 21:7-Führung) und Indiana gegen Michigan (20:27 nach Verlängerung). Nicht schlecht für einen Spieltag, von dem man sich nicht viel versprochen hatte, weil es kein einziges Duell zweier Top-25-Teams gab.

Zugegeben, nicht alle diese Ergebnisse waren regelrechte Sensationen. Boise State, West Virginia und Memphis waren von vornherein nicht wirklich schwächer als ihre leicht favorisierten Gegner, und bei Texas Tech und Navy durfte man sich ohnehin fragen, ob sie mit ihren Top-25-Platzierungen nicht ein bisschen zu gut bewertet waren. Bei den vier Partien mit den knapp ausgebliebenen Überraschungen wäre lediglich ein Sieg Indianas gegen Michigan ein richtiger Paukenschlag gewesen. Und LSUs 27:23-Sieg gegen Auburn überraschte nur in sofern, als sich LSU in den letzten Wochen zwei richtige "Böcke" geleistet hatte (klare Niederlage bei Mississippi State und Heimniederlage gegen Troy) und deshalb aus den Top 25 geflogen war, während Auburn immer besser geworden war, und weil Auburn in Baton Rouge zwischenzeitlich schon mit 20:0 geführt hatte.

Bemerkenswert und schwer zu erklären waren dagegen die drei übrigen Ergebnisse. Wie konnte das bislang so souveräne Clemson bei Syracuse verlieren (24:27), einem Team, das zuvor erst einen Sieg gegen ein FBS-Team (Central Michigan) geholt und in der letzten Saison gegen die Tigers mit 0:54 verloren hatte? Warum schaffte Washingtons Offensive, die in den bisherigen Spielen mehr als 40 Punkte pro Spiel erzielt hatte, gegen eine der bislang schwächsten Defenses nur sieben Punkte, was trotz einer respektablen Leistung der Abwehr zu einer 7:13-Niederlage führte? Und wie erklärt sich Washington States 3:37-Demütigung bei California, einem Team, das in den drei Wochen zuvor dreimal in Folge verloren und dabei von Woche zu Woche schlechter ausgesehen hatte?

Beschreiben lässt sich schon, was die Favoriten aus dem Tritt brachte. Bei Clemson war QB Kelly Bryant durch eine Knöchelverletzung aus dem letzten Spiel gehandicapt. Wegen dieser Verletzung war er unbeweglicher, konnte vor allem nicht wie gewohnt mit dem Ball laufen und ohne dieses "dual threat" fehlte Clemsons Angriff ein wichtiges Element. Kurz vor Ende der ersten Halbzeit schied Bryant nach einer harten Attacke mit Verdacht auf Gehirnerschütterung ganz aus. Vielleicht hätten Clemsons Coaches besser ganz auf Bryant verzichtet und ihre Taktik entsprechend umgestellt. Vom Potenzial her hätte Clemson auch ohne Bryant souverän gewinnen müssen. Darüber hinaus stimmte bei den Tigers auch so einiges nicht. Die Offensive Line konnte keine Löcher für erfolgreiche Läufe reißen, man vergab zwei Field-Goal-Versuche aus machbaren Distanzen von unter 40 Yards, und die sonst so starke Abwehr ließ mehr Spielzüge mit größerem Raumgewinn zu als man es von ihr gewohnt ist. "Diesen Sieg wollten sie schlicht und einfach mehr als wir und das geht zu 100 Prozent auf meine Kappe. Es gibt einiges, worüber wir sprechen und vieles, was wir korrigieren müssen. Wir haben Fehler gemacht, kassierten viele Strafen und bei Third Downs konnten wir sie nicht stoppen. Wir haben einfach nicht das gebracht, was man bringen muss, um ein Spiel zu gewinnen", sagte Head Coach Dabo Swinney zur Vorstellung seiner Mannschaft.

Washingtons Niederlage bei Arizona State lief nach einem ähnlichen Muster ab, nur dass bei dieser keine Verletzung eines Schüsselspielers mitentscheidend war. Auch in Tempe hatte man beim Betrachten des Spiels den Eindruck, der Außenseiter wäre besser motiviert, aus dem Wissen heraus, dass man ohnehin nichts zu verlieren hat. Aber kann so etwas dazu führen, dass eine lausige Abwehr ausgerechnet für einen Top-Gegner zum unüberwindbaren Bollwerk wird? Eigentlich nicht. Und so wirkten die ersten Statements von Washingtons Head Coach Chris Petersen denn auch ein wenig ratlos. "Wir fanden überhaupt keinen Rhythmus. Und wenn wir es in der Offensive doch mal schafften, kassierten wir eine Strafe oder konnten unsere Chancen in der Red Zone nicht nutzen. Ich will unbedingt daran gehen, das zu analysieren, wir alle wollen das, um herauszufinden, was wir besser machen können. Wir haben hart gekämpft. Aber wenn wir nicht so spielen, wie wir es eigentlich können, werden wir gegen jeden Gegner verlieren", sagte er unter anderem. Eine greifbare Ursache für die Niederlage hatte Petersen in dieser Aussage mit angesprochen: die mangelhafte Chancenverwertung. Die Huskies hatten überhaupt nur drei "Scoring Opportunities" und die hätten sogar reichen können, um mit dem Schrecken davonzukommen, aber erst die dritte wenigen Minuten vor Spielende nutzte man zum Touchdown. Zwei hochkarätige Chancen im dritten Viertel ließ man dagegen mit vergebenen kurzen Field-Goal-Versuchen nach First Downs an der 11- beziehungsweise 12-Yard-Linie der Sun Devils aus.

Das größte Kopfschütteln löste der Untergang von Washington State bei California aus, auch, weil der bei mehr Konsequenz der Golden Bears sogar noch schlimmer hätte ausfallen können. Klar, California war im Vergleich zu Arizona State und Syracuse der stärkere Gegner und stand nach drei Niederlagen in Folge mit dem Rücken zur Wand, aber das erklärt nicht alles. Head Coach Mike Leach kommentierte die Leistung seines Teams an einer Stelle kurz und knapp mit einem "Wir waren erbärmlich" und unterstellte seinen Spielern, sie seien auf dem Platz herumstolziert als wenn sie bereits etwas gewonnen hätten. Das zeigt in Sachen Erklärung in die entscheidende Richtung: Sein Team, das bei seinem Anheuern eines der schwächsten in den Power Five Conferences gewesen war, muss sich offenbar erst noch daran gewöhnen, was es heißt, an der Spitze mitzuspielen. "Es gibt keine Zeit zum Lockerlassen. Wir haben gerade herausgefunden, wie sich Lockerlassen anfühlt", sagte Leach am Freitagabend und fordert jetzt die Konzentration auf die jeweils nächste Aufgabe ein. "Es gibt während einer Saison keine Ziele, das Ganze ist ein Prozess, durch den müssen wir durch, und dabei müssen wir die Arbeit und die Herausfordeungen, die vor uns liegen annehmen. Wir haben eine im Kern gute Truppe beisammen, mit der wir das schaffen können. Wir habe heute Abend einfach nur versagt, aber das wird unsere Saison nicht widerspiegeln, es sei denn, wir selbst lassen es dazu kommen", so Leach.

Alles rückt enger zusammen

Unter dem Geschitspunkt Spannng war der Verlauf dieses Spieltages natürlich ideal. Viele der sich noch eine Woche zuvor abzeichnenden Szenarien für den weiteren Saisonverlauf, haben sich gleich wieder erledigt - abgesehen davon, dass vorerst noch Alabama über allen thront. Je weniger Teams ungeschlagen bleiben, desto interessanter wird der Kampf um die Playoff-Plätze. Und nach den aktuellen Ergebnissen haben sogar vor Kurzem schon abgeschriebene Teams, etwa das mit zwei Niederlagen belastete Stanford in der Pac-12 Conference, wieder Chancen. Zugegeben, im Moment ist es noch möglich, dass in vier der Power Five Conferences die Champions am Ende ohne Niederlage bleiben (und das wäre für diese dann die sichere Playoff-Teilnahme): Alabama oder Georgia in der SEC, Penn State oder Wisconsin in der Big Ten, TCU in der Big Twelve und Miami in der ACC. Aber alle diese Teams haben noch richtig schwere Gegner vor sich, treffen eventuell in den Conference-Endspielen dann direkt aufeinander, und das letzte Wochenende hat ja einmal mehr gezeigt, dass man in den Top-Conferences selbst die schwächeren Gegner richtig ernst nehmen muss. Und so brauchen auch die großen Verlierer des letzten Spieltages die Köpfe noch längst nicht hängen lassen. Sowohl Clemson als auch Washington und Washington State können aus eigener Kraft ihre Conferences gewinnen und wären, wenn sie kein weiteres Spiel verlieren, mitten drin im Playoff-Rennen. Auburn bräuchte zwar selbst wenn es alle restlichen Spiele gewinnt, also auch das gegen Alabama Ende November, Hilfe in Form einer weiteren SEC-Niederlage von LSU, aber unwahrscheinlich ist ein solches Szenario nicht, in sofern bleibt also auch Auburn Teil des zurzeit recht stattlichen Kreises an Teams mit realistischen Playoff-Ambitionen. Sicher, dass man mit zwei Niederlagen auf dem Konto eine der stärksten Conferences gewinnt und in die Playoffs einzieht, erscheint im Moment noch als eher unwahrscheinlich, aber wenn die Saison noch weitere Spieltage wie diesen bringt, dann könnte die Vergabe der Plätze in den Playoffs so spannend (und kontrovers) werden wie noch nie.

Hoch - 17.10.2017

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