Das Gute an der Playoff Ära – ist ihre Ironie

Würde es noch den BCS-Modus geben, könnte dieser Ohio State Fan nicht glücklich sein.Wie wenig Quervergleiche im Sport zählen, haben die College Football Fans bereits am Neujahrstag erleben können. Am Ende der regulären Saison unterlag Wisconsin noch eindeutig mit 0:59 im Big Ten Championship Game gegen Ohio State und es bewahrheitete sich etwas später wieder einmal eine alte Weisheit, dass im College Football oft Dinge geschehen, die rational betrachtet, eigentlich nicht eintreffen können. Wisconsin besiegte Auburn mit 34:31 in der Overtime und gewann den Outback Bowl. Für Aufregung sorgte auch Michigan State, die noch im November die Buckeyes mit 49:37 schlugen und am 1. Januar Baylor äußerst knapp den Cotton Bowl wegschnappten. Am Ende der viel zu kurzen Playoffs haben aber zwei Mannschaften alle Konkurrenten aus dem Weg geräumt, die nach der alten BCS Logik gar nicht das Finale hätten erreichen können. Alabama und Florida State wären die beiden Kandidaten gewesen, die im AT&T Stadium um den Titel gespielt hätten. Die Seminoles lagen aufgrund ihrer perfect season und die Crimson Tide aufgrund der Gewichtung von direkten Vergleichen mit anderen Top Teams vorne. Das einzige was keine der beiden Systeme liefern konnte, war ein Match zwischen Ohio State und Alabama. In ein paar Jahren, wenn es tatsächlich Viertelfinal- und Achtelfinalpaarungen geben sollte, wären solche Leckerbissen zum Jahreswechsel vielleicht möglich.

Es war auch auffällig, dass seit den ersten Ranking Bekanntmachungen durch den Vorsitzenden Jeff Long, niemand mehr von einer absoluten Überlegenheit der SEC sprach und niemand mehr von der Legende einer sterbenden Big Ten etwas wissen wollte. Im Gegenteil, fast wie Florida State agierte die Truppe von Urban Meyer bis zur Halbzeit im Halbfinale gegen die Crimson Tide. Niemand konnte die Top Rusher aus dem Süden stoppen und Nick Saban sah zur Pause schon wie der überlegende Sieger aus. Dann passierte dass, was es im Sport schon so oft gegeben hat. Der Favorit wird zu selbstsicher und fabriziert Fehler, während der Underdog sich ein Herz nimmt und voll konzentriert zur Sache geht. Dieses Mal war es vor allem Alabamas QB Blake Sims, der drei extrem bedeutende Interceptions warf, somit den Gegner aufbaute und schlussendlich den Sugar Bowl mit 42:35 besiegte. Ironischerweise führte den Angriff von Ohios QB Cardale Jones, der vor der Saison noch im dritten String stand und erst zum Einsatz kam, als die beiden besten Spielmacher des Teams verletzt ausschieden. „Vielleicht ist die Big Ten ja doch nicht so schlecht, wie immer gesagt wird“, munkelte noch vor dem Anpfiff Head Coach Meyer und hoffte, dass die Big Ten „pretty damned good“ wäre. Nach zwei Turnovers steckte Ohio noch in einem Motivationsloch, doch nach dem 6:21 Rückstand, punktete Meyers Team genau 28 Zähler am Stück. Dabei geriet Alabama nach dem 85 Yards Touchdownrun von Ezekiel Elliott so sehr aus der Fassung, dass die 42:28 Führung von Ohio State ausreichte, um sich gegen dass wütende Anrennen von Alabamas Offense in den letzten drei Minuten zu wappnen und das Trommelfeuer zu überstehen. Safety Tyvis Powell setzte schließlich das finale Ausrufezeichen, als er in der Endzone einen letzten Sims-Pass vom Himmel pflückte und den 42:35 Sieg für die Buckeyes rettete. Fast ganz unbemerkt beendete Ohio State damit auch eine recht lange Serie, obwohl sie während der regulären Saison ihre beiden besten Quarterbacks verletzungsbedingt ersetzen mussten. Insgesamt zehn Bowlspiele hatten die Footballer aus Columbus als Serie gegen SEC Teams verloren. Der 31:26 Sieg im Sugar Bowl gegen Arkansas wurde 2011 von der NCAA aufgrund von Sanktionen wieder einkassiert, doch am Neujahrstag 2015 sprach niemand mehr von einer toten Big Ten, wie es sich noch in der Woche 2 der 2014er Saison zugetragen hatte. Ironischer Weise gilt Coach Meyer als der Auslöser des Abschwungs in der Big Ten, als er 2006 zu den Florida Gators ging und mithalf die SEC zu stärken. Immerhin hat er es geschafft, Ohio State wieder auf das Gleis zu setzen und innerhalb von drei Jahren mit Volldampf in das College Football Championship Game zu fahren, an dem die Buckeyes seit 2007 nicht mehr teilnahmen.

Ganz bescheiden erklärte auch nach dem Abpfiff Ohios Quarterback Cardale Jones, dass sein Trainer Meyer ihm soeben erzählt hat, dass sie nur das beste Team der besten Conference in der Geschichte dieses Planten geschlagen haben, sonst war eigentlich gar nichts passiert.“ Was Meyer zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, war das Ergebnis des Rose Bowl in Pasadena und dass Oregon den alten Meister aus Florida mit 59:20 vom Platz gefegt hatte. Während der Pressekonferenz erfuhr Meyer vom Ergebnis und war sehr erstaunt, dass der Abstand über 40 Punkte betrug: „Wir müssen nun beginnen, uns gegen Oregon vorbereiten und haben nur noch zehn Tage Zeit.“

Oregon scorte sechsmal nach der Pause gegen Florida State und generierte vier Touchdowns, nachdem die Seminoles die Anzahl ihrer Turnovers merklich erhöhten und im dritten Viertel sichtbar einbrachen. Innerhalb von 12:59 Minuten wandelten die Ducks mit ihrer Quick-Strike-Offense ein 25:20 in ein 59:20 um, während der entthronte Champion nur noch tatenlos zuschauen musste. Gleichzeitig endete eine bemerkenswerte Ära für Florida State. Die „Noles“ gewannen 29 Matches hintereinander und für den Quarterback und früheren Heisman Trophy Gewinner Jameis Winston war es als Starter in 26 Spielen die erste Niederlage im Dress der Seminolen überhaupt. Coach Helfrichs Hurry-Up Offense benötigte nur 20,2 Sekunden pro Spielzug und gab damit eine Geschwindigkeit vor, gegen die Florida State noch nie spielen musste. Immerhin hielten sich die Seminoles bis zum 20:25 achtbar. Sie spielten auf dem gleichen Feld wie vor knapp einem Jahr im letzten BCS National Championship Game gegen Auburn und waren damals in der Lage, einen 18 Punkte Rückstand aufzuholen. Im Jahr 2015 blieben ihnen diese Möglichkeiten verwehrt. Nachdem Winston seinen 18 Yards Touchdown Pass auf Travis Rudolph zum 25:20 abfeuerte, übernahm Oregons Offense endgültig die Regie des Rose Bowl und wurde durch insgesamt fünf Seminolen Turnovers immer wieder ins Spiel zurück gebracht, die zu 34 Punkten für Oregon führten. Zwei folgende präzise geworfene Touchdown-Pässe auf Carrington und ein überflüssiger Fehler von Winston, der für viel Gesprächsstoff sorgte, folgten und Florida States Fall war nicht mehr aufzuhalten, als die Sonne hinter den San Gabriel Bergen verschwand. „Es sah so aus, als wenn Winston auf einer Bananenschale ausrutschte“ gab später Oregons Linebacker Torrodney Prevor verwundert zu Protokoll, denn es passiert nicht so oft in der FBS-Football-Klasse, dass, wenn ein Elite-Quarterback aus der Pocket herauskommt, viel Zeit mitbringt und zum Pass ansetzt, plötzlich auf trockenem Geläuf ausrutscht und ohne Einfluss des Gegners der Ball aus den Händen des Spielmachers fällt. Diesen Fumble sicherte schließlich Tony Washington und der Defensive End überbrückte sogar die fehlenden 58 Yards bis in die Seminolen Endzone. "Es war schon ein verrückter Spielzug. Wir haben uns selbst geschlagen“, meinte auch Winston selbst, der letztlich in seiner College Football Karriere alles gewann, was es zu gewinnen gab.

Die Playoffs haben es also ermöglicht, die FBS College Football Landkarte innerhalb weniger Wochen dramatisch zu verändern. Die glorreiche SEC, die zwischen 2006 und 2012 sieben BCS Championships gewann, war im Januar 2015im Finale nicht vertreten. Selbst von Mississippi State, das 2014 urplötzlich mehrere Wochen lang einen Spitzenplatz im Playoff Ranking einnahm, spricht heute niemand mehr. Die Großmacht Alabama liegt erschöpft im Ring und muss zunächst seine eigenen Wunden lecken. Die SEC West, noch vor kurzem als die beste Division in den USA geehrt, hat in Summe gerade einmal zwei Bowlspiele gewonnen und fünf Mal daneben gegriffen. Wenn es nicht die SEC East gegeben hätte, die mit Siegen von Missouri, Georgia, Tennessee, South Carolina und Florida aufwartete, wäre der gute Ruf der SEC wirklich fast schon irreparabel ramponiert worden, zumal die Gators gegen East Carolina mit ihrem schmeichelhaften 28:20 Erfolg im Birmingham Bowl auch kein großes Ruhmesblatt ernteten. Aufstieg und Fall von haben sich in der neuen Playoff Ära spürbar beschleunigt.

Die Playoffs haben es aber auch ermöglicht, dass ein Vertreter der Pac-12 wieder einmal hinter der Kanone stehen darf. Seit 2004 hat sie keinen National Championship mehr stellen dürfen und seit 2005 auch an keinem Endspiel mehr teilgenommen. Ermöglicht hat sie auf jeden Fall den Beginn eines Umdenkens in der Big12 und ihrer zehn Mitglieder. Ein fehlendes Championship Game und der taktische Meisterfehler der Funktionäre, die eigene Meisterschaft auf zwei Teams zu verteilen, wurde zum erlesensten Rohrkrepierer der Saison 2014/15. Also muss die Big 12 die Zeichen der Zeit erkennen und entweder eine Sondergenehmigung von der NCAA erhalten, um auch ein Championship Game zu veranstalten oder schnellstens zwei zusätzliche Mitglieder aus der Tasche zaubern, will es nicht noch einmal ihre wertvollsten Mitglieder TCU und Baylor auf dem Altar der Interessen opfern.

Was sie noch nicht ermöglicht hat, ist die Frage, wie hoch TCU eigentlich wirklich springen kann. Die erste Spielzeit in der Playoff Ära hat ihnen zwar einen beachtlichen sechsten Platz mit nur einer knappen 58:6 Niederlage gegen Baylor im Ranking beschert, doch wenn man bedenkt, dass auch Ohio State in der regulären Saison einmal patzte und mit welcher Dominanz TCU im Chick-fil-A Bowl Ole Miss mit 42:3 an die Wand drückte, so hätte TCU auf jeden Fall eine Chance im KO-System verdient gehabt. Nach dieser eindrucksvollen Vorstellung übte sich TCU Head Coach Gary Petterson übrigens in Selbstironie: „Wir sind nächstes Mal wieder dabei. Ein Acht-Team Spot würde besser aussehen. Doch momentan sind es vier Mannschaften und das ist immer noch viel besser, als wenn es zwei geblieben wären.“

Schlüter - 22.01.2015

Würde es noch den BCS-Modus geben, könnte dieser Ohio State Fan nicht glücklich sein.

Würde es noch den BCS-Modus geben, könnte dieser Ohio State Fan nicht glücklich sein. (© Getty Images)

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