SMU und die Folgen des "Death Penalty"

SMU-LogoDer Wechsel von Head Coach June Jones von Hawaii zu SMU hat eine der traurigsten Geschichten der jüngeren College-Football-Geschichte wieder in Erinnerung gerufen. Dass Jones’ neuer Arbeitgeber eines der erfolgloseseten Teams der letzten zwei Jahrzehnte ist, liegt auch an den Folgen einer Bestrafung durch den College-Sportverband NCAA. Der hatte die Football-Abteilung von SMU Anfang Februar 1987 wegen wiederholter schwerer Verstöße gegen NCAA-Regeln mit der Schließung bestraft. Die Folgen dieser nur bisher nur einmal angewandten Höchststrafe werfen auch grundsätzliche Fragen darüber auf, wie die NCAA bei Regelverstößen strafen soll.
Wer die Vorgänge um SMU verstehen will, der muss zunächst einen Blick auf die damalige Situation im College Football werfen. Verstöße gegen NCAA-Regeln, selbst ganz schwere wie Zahlungen an Spieler durch Förderer der Universitäten, waren durchaus nichts Ungewöhnliches. Gegen diesen Missstand wollte die NCAA in der ersten Hälfte der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts verstärkt vorgehen. So wurde auf einer Sondervollversammlung im Juni 1985 in Dallas von den Universitätspräsidenten fast einstimmig (427 stimmten dafür, nur sechs dagegen) die so genannte Wiederholungstäter-Regel beschlossen. Diese sah die Möglichkeit vor, ein Football-Team für bis zu maximal zwei Jahre zu schließen, wenn dieses zweimal innerhalb von fünf Jahren schwerer Regelverstöße überführt wird. Von den Fans und Medien bekam die neue Regel, in der Funktionärssprache "Proposition 3" (Antrag 3) genannt, wegen ihrer möglichen schweren Folgen sehr bald die Bezeichnung "Death Penalty" (Todesstrafe) verpasst.
SMU gehörte zu dieser Zeit, in der ersten Hälfte der 80er Jahre, zur Spitze des College Footballs. Zwischen 1981 und 1984 gewannen die Mustangs 41 ihrer 47 Spiele, von 1980 bis 1985 waren sie mit einer Bilanz von 55 Siegen, 14 Niederlagen und einem Remis das erfolgreichste Team in der Division 1-A. Höhepunkt war die Saison 1982, als man ungeschlagen blieb und Platz zwei in der Meisterschaft hinter Penn State belegte. Ein 17:17 im letzten Punktspiel gegen Arkansas kostete SMU den Titel. Zum damaligen Jahrgang der Mustangs gehörten unter anderem die späteren NFL-Stars Eric Dickerson und Craig James (beides Running Backs), die als "Pony Express" in die Geschichte eingingen. Dickerson spielte nach dem College von 1983 bis 1993 für Los Angeles Rams (1983 bis 1987), Indianapolis Colts (1987 bis 1991), Los Angeles Raiders (1992) und Atlanta Falcons (1993), erlief 13.259 Yards, die bei seinem Karriere-Ende zweitbeste Ausbeute der NFL-Geschichte, und 90 Touchdowns und wurde 1999 in die Pro Football Hall of Fame aufgenommen. Für SMU erlief er 4.450 Yards und 48 Touchdowns. James stand von 1984 bis 1988 in Diensten der New England Patriots, mit denen er 1985 den Super Bowl erreichte.

Schattenseiten
SMU war damals aber auch bekannt dafür, es mit den NCAA-Regeln nicht so genau zu nehmen. In den 30 Jahren bis zur Verhängung der Höchststrafe war SMU sieben Mal wegen Regelverstößen bestraft worden, so oft wie kein anderes Team. Im August 1985 wurde das Team von der NCAA bestraft, weil es Zahlungen von Förderern der Universität an Spieler gegeben hatte. Eine Bewährungsfrist von drei Jahren wurde verhängt. Trotzdem ging die Praxis von illegalen Zahlungen aus schwarzen Kassen mit Wissen und Duldung von Beschäftigten von SMUs Athletic Department weiter. Im November 1986 gestand ein ehemaliger Spieler gegenüber einer lokalen TV-Station ein, monatliche Zahlungen (750 Dollar) von SMUs Recruiting Coordinator bekommen zu haben. In der Folge kamen weitere Dinge ans Licht, die gegen NCAA-Regeln verstießen, etwa, dass ein Spieler mietfrei in einem Apartment eines Förderers wohnte. Am Ende der sich anschließenden Untersuchungen durch die NCAA kam heraus, dass im Jahr 1985 insgesamt 13 Spieler Geld bekommen hatten, im Jahr 1986 acht Spieler. Insgesamt sollen rund 61.000 Dollar geflossen sein.
Ende Februar 1987 verkündete die NCAA dann ihr Urteil: zweijährige Bowl-Sperre, zwei Jahre Ausschluss von TV-Übertragungen, Streichung von zwei Stellen für Assistant Coaches, verteilt über zwei Jahre, Streichung von 55 Stipendien über vier Jahre sowie - und das war das Entscheidende und Neue - Ausschluss vom Spielbetrieb für die Saison 1987. In der Saison 1988 hätte man wieder spielen können, aber nur auswärts. SMU verzichtete dann aber freiwillig darauf, 1988 zu spielen, auch, weil sich der Kader nach Verhängen der Strafe in alle Winde verstreute (die Spieler durften zu anderen 1-A-Teams wechseln, ohne, bei solchen Wechseln eigentlich vorgesehen, ein Jahr aussetzen zu müssen). Das Ziel der Bestrafung sei es, so begründete die NCAA das harsche Vorgehen, ein Football-Programm zu beseitigen, dass eine lange Tradition von Fehlverhalten und Regelverletzungen habe. Nach Ablauf der Strafe bestünde die Chance für einen integren Neuanfang.

Ungeahnte Folgen
Die Folgen waren verheerend. Nachdem Kader und Coaching-Stab weg waren, verlor die Universität im Sportbereich ihre wichtigste Einnahmequelle. Mit den Geldern, die die Footballer einspielten, wurden schließlich auch all jene Sportarten mitfinanziert, die nur wenige Zuschauer hatten. Der damalige Präsident von SMU, im Übrigen nur ein Übergangspräsident, weil der reguläre im Zuge des Skandals im November 1986 zurückgetreten war, aus gesundheitlichen Gründen, wie es damals hieß, sorgte sich denn auch vor allem um die Auswirkungen der Strafen auf Leute, die mit der ganze Sache nichts zu tun hatten, zum Beispiel auf die Masse der Spieler, die kein Geld bekommen hatten, oder, indem in der Verwaltung des Athletic Department Stellen gestrichen werden müssten.
Das ganze Ausmaß der Strafe wurde aber erst klar, als SMU ab 1989 wieder am Spielbetrieb teilnahm. Forrest Gregg, einst selbst Spieler bei SMU, dann von 1956 bis 1971 Offensive-Line-Spieler bei den Green Bay Packers (mit denen zweimaliger Super-Bowl-Gewinner) und schließlich Head Coach bei den Packers (1975 bis 1977 sowie 1984 bis 1987) und Cincinnati Bengals (1980 bis 1983), übernahm die Aufgabe des Wiederaufbaus - mit einem Kader, der aus Spielern bestand, die sonst keiner haben wollte. Entsprechend waren die Ergebnisse. Das Team war kaum konkurrenzfähig. Es dauerte bis zur Saison 1997, ehe die Mustangs wieder einmal eine positive Bilanz erreichten (6-5) - im Übrigen zum einzigen Mal seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs. "Ich glaube nicht, dass sich die NCAA damals im Klaren darüber war, was sie da tat. Ihr fiel nichts Besseres ein, als SMU mit dem schärfsten Mittel zu bestrafen, dass ihnen zur Verfügung stand. Hätte man gewusst, welche Folgen das hat, hätte man es wahrscheinlich nicht getan", sagte Gregg im letzten Jahr zu den damaligen Ereignissen.

Einmaliges Ereignis
Ähnlich sehen es heute auch Leute, die damals auf Seiten der NCAA an der Sache beteiligt waren. "Rückblickend erkennen viele, einschließlich der NCAA, dass der Death Penalty genau das ist: Er bringt den Todesstoß, aber das hilft letztlich nicht", sagt zum Beispiel Brent Clark, Anwalt und damals Ermittler für die NCAA. Die Folge daraus ist, dass diese höchstmögliche Strafe wohl nie mehr angewendet werden wird, obwohl die Möglichkeit dazu bestünde. "Es ist wie eine Atombombe. Die NCAA hat das einmal angewendet und damit eine Zerstörung angerichtet, die über das vorstellbare Maß hinaus ging, und deshalb wird sie niemals wieder angewendet werden", so sieht es auch Phil Bennett, der am Ende der Saison 2007 entlassene Head Coach der Mustangs. Seit der Bestrafung von SMU gab es insgesamt 16 Fälle (nicht nur im Football, sondern andere Sportarten mit einbezogen), in denen die NCAA genauso hart gegen die Sünder hätte vorgehen können, es aber nicht tat. Im Football war Alabama im Jahr 2002 ein solcher Fall. Der mehrfache National Champion wurde zwar mit den üblichen Bowl- und TV-Sperren sowie Stipendien-Streichungen bestraft, die Schließung aber blieb der Football-Abteilung erspart. Clark erklärt sich das so: Weil die Strafe so hart sei, dass sie das Produkt, das die NCAA vermarktet, schwer beschädigen würde, verzichtet man darauf. Außerdem glaubt man bei der NCAA, dass das abschreckende Beispiel von SMU geholfen hat, die schlimmsten Auswüchse bei den Regelverstößen zurückzufahren.

Unschuldige Opfer
Die Frage ist allerdings auch, ob die Verhängung dieser Strafe heute noch durchsetzbar wäre. SMU fügte sich damals, versuchte nicht, sich dagegen zu wehren. Eine Schließung von Alabamas Football-Abteilung hätte aber gewiss einen mittleren Aufstand ausgelöst. Und mit dem Wissen auch um die finanziellen Konsequenzen würde eine betroffene Universität heute wahrscheinlich ordentliche Gerichte anrufen, um sich gegen diese Strafe zu wehren - und würde damit ebenso wahrscheinlich auch Erfolg haben. Denn im Grunde steht die ganze Sanktionspraxis der NCAA auf wackeligen Beinen. Begangen werden die Regelverstöße immer nur von wenigen, aufgedeckt werden die Verstöße fast immer erst, wenn diejenigen, die sie begangen haben, längst nicht mehr an der Universität sind, oft genug inzwischen in der NFL Millionen verdienen. Betroffen von den Strafen sind aber in erster Linie Menschen, die mit den Verstößen gar nichts zu tun hatten. Auf der anderen Seite kann die NCAA gar nichts anderes tun, als die jeweils betroffene Sportabteilung rückwirkend und als Ganzes zu bestrafen, weil ihre Regeln sonst das Papier nicht wert wären, auf das sie geschrieben wurden.

Wittig - 06.02.2008

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